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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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Schritt in die Schreibsprache gehen werden. Kein Nachrichtensprecher von Tagesschau oder ‹Heute› sagt noch spontan unter dem Verdacht und an diesem Modell mag man ablesen, was auf vielen anderen Feldern auf den deutschen Sprachusus zukommen mag.
    Zu einem objektiven Blick gehört schließlich auch die Frage: Wo ändert sich etwas? Gibt es Epizentren, Kulminationspunkte, ja vielleicht so etwas wie ‹Sprachveränderungshochburgen›? Ja, die gibt es. Im Osten Deutschlands schlagen die Veränderungen des Deutschen viel weniger durch, weil der Bevölkerungsanteil der Migranten im einstelligen Bereich liegt und einfach viel weniger zutage tritt. Wenn es hier überhaupt nennenswerte Minderheiten gibt, dann Russen und Polen in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen und Vietnamesen in Sachsen und Sachsen-Anhalt.[ 5 ] Oft trifft man in den neuen Bundesländern auch auf eine sehr konservative Attitüde gegenüber Sprache und Sprachpflege und auf eine Art eiserner, gewissermaßen historischer Einsprachigkeit (ein paar Brocken Schulrussisch zählen nicht). Hochburgen der Veränderung sind natürlich die (west)deutschen Großstädte mit ihrer Anziehungskraft, ihrem Sprachengemisch und ihren vielen neuen Mehrsprachigkeiten: Berlin, Hamburg, Frankfurt, München, Köln, Düsseldorf, Mannheim, Mainz – mit einer weiten Ausstrahlung in Städte mittlerer Größe. Und hier wurden auch bislang die ersten Feldprojekte zu Jugendslangs durchgeführt, z.B. in Mannheim oder Berlin. Denn der neue Sprachwandel wird sich hier am ehesten zeigen und am schnellsten durchsetzen.
Warum ändert sich etwas?
    Kein Phänomen, kein Sprachzug, keine Änderung steht für sich allein oder fällt plötzlich vom Himmel. Immer gibt es ein ganzes Bündel von Gründen und Motiven, die sich auch noch gegenseitig beeinflussen. Und kein Wissenschaftler kann sich heute noch so weit vorwagen und nur eine einzige, womöglich noch ‹seine› Erklärung präsentieren. Oft ist es sogar so, dass sich passable oder plausible Erklärungen erst dann abzeichnen, wenn man sich in den Nachbarwissenschaften umsieht und den Horizont erweitert. So ist es auch mit dem aktuellen Sprachwandel des mündlichen Deutschen. Migrantensprachen und Migrantendeutsch sind keineswegs die einzigen Faktoren, die den aktuellen Sprachwandel vorantreiben – vielleicht sind sie noch nicht einmal die maßgeblichen: Dies kann aber erst eine Migrationslinguistik erweisen, die diesen Namen auch verdient. Auf jeden Fall sind die Migrantensprachen und ihr wachsender Einfluss ein unbeschriebenes Blatt, eine ganz unterbelichtete Seite im Buch der Kontaktlinguistik und des Sprachwandels – und allein dieses (im Grunde empörende) Faktum ist Grund genug, die Migrantensprachen und die Migranten thematisch in den Vordergrund zu stellen.
    Fassen wir die anderen Einflussfaktoren im Stichwort zusammen: Sprachen wandeln sich heute im Kontext der Globalisierung und einer immer weiter um sich greifenden Anglisierung . Die Medien, Fernsehen, Talkshows und ganz neue Formate fordern und fördern Schnelligkeit im Denken und Reden, die sich immer weniger auf geschriebene Dokumente stützt. Verbunden damit gibt es eine landesweite, ja europaweite Renaissance der Mündlichkeit: Die alten Standards der Hochgrammatiken vermischen sich immer mehr mit Normen aus der Sprechsprache – ganz besonders deutlich und auch dokumentiert in osteuropäischen Ländern nach 1989 (Zybatow 2000). Das Internet hat neue Kommunikationsformen und -foren erzeugt, die ihre eigenen Codes haben und kaum noch grammatisch im alten Sinne sind: Facebook, Twitter, SMS und Chat. Mit Sicherheit wirkt ein gesunkenes Niveau der Allgemeinbildung und ein nachlassendes Interesse an ihr noch zusätzlich auf die Sprachsituation ein. Letztlich gibt es auch noch den großen übergreifenden Sprachwandel der europäischen Sprachen (‹longue durée›), über den sich der aktuelleTurbowandel des Deutschen wie eine hochaufragende Amplitude aufwirft. Und dies alles spielt sich ab vor dem Hintergrund der Migration, die gerade ihren 50. Jahrestag beging.
Wie geht das Buch vor?
    Das Buch geht, um den aktuellen Veränderungen der deutschen gesprochenen Sprache auf die Schliche zu kommen, wie folgt vor. Es hat vier Kapitel:
    Das erste Kapitel geht kurz auf die Sprachkontakte in der Welt und in Europa ein und spricht die

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