Schattenpferd
VORBEMERKUNG DER A UTORIN
Willkommen in meiner anderen Welt.
In meinem Leben, das nicht am Schreibtisch stattfindet, bin ich Turnierreiterin. Ja, ich reite schon länger, als ich schreibe. In all den Jahren sind Pferde für mich Freude, Zuflucht, Therapie, Rettung und Trost gewesen. Ich habe an fast allen reiterlichen Disziplinen teilgenommen, vom Barrel Racing bis zum Springreiten. Als ich dreizehn war und meine Freundinnen sich beim Babysitten das Taschengeld verdienten, brachte mein Vater junge Pferde mit heim, die ich einreiten sollte.
Vor einigen Jahren verfiel ich dem Dressurreiten als Leidenschaft außerhalb des Büros. Dressur hat viel mit Kontrolle und Präzision und dem Meistern unmerklicher Hilfen zwischen Reiter und Pferd zu tun. Das Endresultat ist etwas wie ein Pferdeballett, das elegant und mühelos wirkt, aber dieselbe körperliche und geistige Anstrengung erfordert wie Poweryoga.
1999 beteiligte ich mich zum ersten Mal an einer Dressurprüfung. Und typisch für mich, ging ich nicht gemächlich zu diesem Sport über, sondern mit Vollgas, wie bei allem, was ich tue. Ich kaufte ein wunderbares – wenn auch schwieriges – Pferd namens D’Artagnon von dem Olympiareiter Günter Seidel und schaffte es innerhalb eines Jahres von meiner ersten Dressurprüfung zum nationalen Rang einer Amateurreiterin im amerikanischen Dressurverband. Am Ende meiner ersten Saison ermutigte mich meine Betreuerin, Reitlehrerin, Mentorin und sehr gute Freundin Betsy Steiner (selbst eine Weltklassereiterin), D’Artagnon zusammen mit mehreren anderen Pferden aus ihrem Stall für die Wintersaison nach Florida zu bringen.
Jedes Jahr kommen Spitzenreiter von der Ostküste, dem Mittleren Westen, aus Kanada und Europa nach Wellington in Palm Beach County und verbringen drei Monate mit konstantem Training und Wettbewerben bei den angesehensten Dressur- und Springturnieren des Landes. Tausende von Pferden und Hunderte von Reitern treffen sich, um eine faszinierende Welt zu schaffen, eine von der Erregung des Sieges, vom Schmerz der Niederlage und von viel Geld angetriebene Welt. Eine von den Superreichen und den sehr Armen bevölkerte Welt; Berühmtheiten, Königliche Hoheiten und ganz gewöhnliche Menschen, die das Jahr über alles zusammenkratzen und sparen, um »an der Saison teilnehmen« zu können: Philanthropen, Dilettanten, Professionelle, Amateure, Trickbetrüger und Verbrecher. Menschen, die Pferde lieben, und Menschen, die diese Pferdeliebhaber ausbeuten. Eine Welt mit einer glanzvollen Oberfläche und einer rauen Unterseite. Yin und Yang. Positiv und negativ.
Am Ende dieser ersten Saison in Florida war mein Kopf voll mit Romanideen, die meine beiden Welten miteinander verbanden. Das Ergebnis ist »Schattenpferd«, ein klassischer Detektivroman vor dem Hintergrund der internationalen Springreiterei. Ich hoffe, Sie haben Freude daran, ein paar Einblicke in die dunkle Seite meiner anderen Welt zu bekommen.
Wenn Sie nach der Lektüre dieses Buches meinen, das Pferdegeschäft sei eine durch und durch düstere Angelegenheit, kann ich Ihnen versichern, dass dem nicht so ist. Einige der anständigsten, nettesten und großzügigsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe, arbeiten im Pferdegeschäft. Aber auf der anderen Seite arbeiten einige der abscheulichsten, brutalsten und widerwärtigsten Menschen, denen ich je begegnet bin, ebenfalls im Pferdegeschäft. Die Pferdewelt kann eine Welt der Extreme und erstaunlicher Abenteuer sein. Mir sind Pferde unter Drogen gesetzt und Pferde gestohlen worden. Ich bin in einem fremden Land mit einem soziopathischen Pferdehändler gestrandet, der meinen Rücktransport nach Hause storniert hat. Ich habe mich als Pferdepflegerin ausgegeben und bin im Bauch eines Frachtflugzeugs mit einem Pferd geflogen, das es darauf abgesehen hatte, mich umzubringen. Aber solche Abenteuer geschehen nicht jeden Tag. Jeden Tag gehe ich in die Ställe und finde Freundschaft und Partnerschaft und Frieden in meiner Seele.
Meine eigenen Pferde tauchen in diesem Buch auf, in Sean Avadons Stall. Aber um die unvermeidliche Frage zu beantworten, ich bin nicht Elena (wenn mein Leben so aufregend wäre, wann sollte ich dann Bücher schreiben?). Doch ich stimme ihr zu, wenn sie sagt: »Auf dem Rücken eines Pferdes fühlte ich mich unversehrt, vollständig, verbunden mit jenem lebenswichtigen Punkt in meinem Zentrum … und das Chaos in mir fand sein Gleichgewicht.«
ERSTER AKT
E RSTE S
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