Music from Big Pink: Roman (German Edition)
schlitzohriger Schrauber und Bastler, der einem vom M-16 bis zum Thunderbird alles besorgen konnte. Er war auch ein bisschen meschugge, fuhr immer mit ’ner .45er unterm Sitz herum. Ich glaube, er war beim Militär, und in der Stadt erzählte man sich, er sei ein Söldner und in der Schweinebucht dabei gewesen und so ’n Zeug. Was weiß denn ich? Was weiß schon irgendwer? Bill wohnte oben, am Ende der Pine Lane, nicht weit vom Haus der Band.
»Ich sorg auch dafür, dass du einen geblasen bekommst«, versprach Rick heiser kichernd. Im Hintergrund hörte ich weibliches Gelächter, Richard brüllte irgendwas.
* * *
»Greg! Wie läuft’s?« Richard trat die Fliegengittertür auf, und wir umarmten uns – was aufgrund der Tatsache, dass ich einen Gitarrenkoffer und eine Flasche Bourbon trug und er ein volles Glas Irgendwas in der einen und eine Dose Budweiser in der anderen Hand hielt, während ihm ein riesiger, schlecht gedrehter Joint von den Lippen baumelte, gar nicht so einfach war. »Greg ist da!«, rief er, während ich ihm ins Haus folgte.
In der Bude herrschte völliges Chaos. Seit Richard, Rick und Garth letzten Frühling dort eingezogen waren, verwahrloste das hässliche, große pinkfarbene Haus zusehends. Draußen hatte ich bereits über einen frischen Hundehaufen hinwegsteigen müssen, und nun lag der Köter ausgestreckt auf dem Teppich und ließ sich von einer jungen, betrunkenen Blondine den Bauch kraulen. Über ihnen auf dem Kaminsims flackerte die Bier-Neonreklame, die Richard in einer Bar in Downtown geklaut hatte. Im Hintergrund lief leise Musik – ungewöhnlicherweise klang es, als wäre es ihre eigene.
»Greggy!« Rick hüpfte durch den Raum auf mich zu. Auch er schien überglücklich, mich zu sehen. Andererseits freuten sich Drogenkonsumenten (wir waren keine Drogenabhängigen, noch nicht) grundsätzlich, einen zu sehen, wenn man ihnen Stoff brachte.
»Wie war’s in der Stadt?«
»Für’n Arsch. Ich hab ’ne geschlagene Stunde gebraucht, um auf die Interstate zu kommen.«
»So ’n Scheiß. Aber jetzt bist du ja hier. Das sind«, er drehte sich zu den beiden Mädchen um, die sich mit dem Hund auf dem Boden räkelten, »Shirley und … Marla?«
»Carla!«, giggelte die Blondine.
»Carla! Sorry, Baby.«
Sie waren beide verdammt süß. Eins musste man den Jungs lassen: Sie hatten einen Schlag bei den Girls.
»Hi«, sagte ich und setzte mich hin.
»Du, Greg«, grinsend hob Richard eine seiner dicken, buschigen Augenbrauen. »Hast du …«
»Ja, klar.« Ich zog zwei Zellophanbeutelchen aus meiner Jackentasche. Das größere der beiden war voller Gras (diese Jungs hatten einen immensen Bedarf), im zweiten war Koks. Hocherfreut warf Richard sie auf den Tisch.
»Oh, oh, hör dir das mal an!«, sagte Rick und sprang quer durchs Zimmer. »Haben wir letztens aufgenommen.« Er drehte die Lautstärke auf, und die Musik durchschnitt den blauen Dunst mit ungewohnt brillantem Sound. Das klang nicht wie die Songs, die sie den ganzen Sommer über unten im Keller aufgenommen hatten. Ich meine, sie schrieben inzwischen richtig gutes Zeug. Aber die Soundqualität? Heilige Scheiße. Ich war weiß Gott nicht überkritisch, aber die Jungs mussten völlig bekloppt sein, da unten aufzunehmen. Der ganze Raum bestand aus Beton und Metall: Gasbetonmauern, Zementboden, ein riesiger Eisenofen und diese stählernen Fundamentpfeiler. Einen schlimmeren Aufnahmeraum gab’s nicht. Ich hatte sie schon ein- oder zweimal darauf hingewiesen, doch es schien ihnen am Arsch vorbeizugehen.
Das hier war anders. Was ich hier hörte, blies mich – obwohl ich es mir nicht anmerken ließ – förmlich weg. Richard sang einen wunderschönen Song darüber, von einem Mädchen namens Katie verlassen zu werden. Diese Stimme. Mann, er konnte einem das Herz rausreißen, indem er die Lottozahlen sang. Ich sah zu ihm hinüber, und er senkte schüchtern den Blick. »Habt ihr das unten im Keller aufgenommen?«, fragte ich.
»Nee. In New York, vor ein paar Wochen.«
»Wer ist Katie?«, wollte Shirley wissen. Oder Carla.
»Robbies Mutter«, antwortete Richard trocken, ohne von dem Berg Pulver aufzublicken, den er auf der Rückseite eines gerahmten Fotos verteilte. Mit einem kurzen, bellenden Lachen schob sich Rick einen zusammengerollten Zwanziger in die Nase und beugte sich vor.
Stunden später saßen Richard und ich hinterm Haus, killten den letzten Rest Schnaps und blickten in den Himmel. Unten im Keller stümperte Rick auf dem
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