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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Allerheiligen 1994
    Neonröhren tauchen das Bahnhofscafé in ein kaltes, unfreundliches Licht. Eine alte Frau wischt den Steinboden auf, nähert sich den Tischen und bückt sich nach einem Zigarettenstummel, der ihr zu schade zum Wegwerfen scheint. Die Theke wird von Männern in blauer Arbeitskleidung belagert. Mit einem Gläschen Grappa begießen sie das Ende ihrer Nachtschicht. Derbe Witze und lautes Gelächter beleben das Lokal.
    Die Frau hinter der Kasse lacht nicht mit. Sie schaut den Barkeeper, der ihr eine Tasse Kaffee reicht, vorwurfsvoll an.
    »Hast du wieder zuviel Zucker hineingetan?«
    »Zwei Löffel, hast du letztes Mal gesagt.«
    »Der Arzt hat gemeint, ein Löffel muß genügen«, murmelt sie und leert die Tasse in einem Zug.
    »Noch einen?«
    Sie schleckt mit der Zungenspitze den Schaum von ihren Lippen und nickt.
    Enrico wartet geduldig, bis Kassiererin und Barkeeper ihre Unterhaltung beendet haben. Beide würdigen ihn keines Blickes.
    »Ein Glas Terrano, bitte.«
    Nun sieht sie doch kurz zu ihm auf, und was sie sieht, scheint ihr zu gefallen. Sein altmodischer, grauer Mantel ist aus gutem Stoff, sein weißes Hemd sauber, und seine schwarzen, rissigen Schuhe sind auf Hochglanz poliert. Nur der verhärmte Zug um seinen Mund mißfällt ihr.
    Sie wird gleich eine Spur freundlicher, schenkt ihm sogar ein Lächeln, als sie ihm den Bon in die Hand drückt.
    Seit einer Ewigkeit lächelt mich zum ersten Mal wieder eine Frau an – eine häßliche, fette Frau mit verfaulten, schwarzen Zähnen, denkt Enrico, bedankt sich aber höflich und begibt sich zur Theke. Er stellt seinen kleinen, braunen Koffer auf den Boden und reicht dem Barkeeper den Bon.
    Das Zischen der Espressomaschine übertönt die Stimmen der Männer. Plötzlich verlangen alle nach Kaffee, auch diejenigen, die gerade erst einen Grappa bestellt haben. Mit ein paar geschickten Handgriffen erfüllt der Barkeeper die Wünsche seiner morgendlichen Stammgäste, wischt die Theke ab, stellt leere Flaschen in eine Kiste, rührt geschlagene Milch in den Kaffee und schenkt dem Fremden ein Glas Wein ein.
    Versonnen betrachtet Enrico die rubinrote Flüssigkeit. Erinnerungen an manch geleerte Flasche tauchen auf. Er zündet sich eine Zigarette an und scheint jeden Zug zu genießen. Als er sie bis zur Hälfte geraucht hat, wirft er den brennenden Stummel auf den Boden, tritt ihn sorgfältig aus, nimmt eine andere Zigarette aus dem Päckchen, reißt den Filter ab und zerbröselt den Tabak zwischen seinen Fingern.
    Das Bahnhofscafé wurde erst vor kurzem renoviert. Nicht nur die Stahlrohrtische und die schwarzen Stühle sehen neu aus, über dem ganzen Lokal liegt ein Hauch von Frische: Sonnige Gelbtöne, dezentes Hellgrau und zartes Lindgrün. Der Bereich, in dem man sitzen kann, ist durch Grünpflanzen vom Stehbuffet getrennt. Die Theken aus schwarzem Marmor und hellbraunem Holz harmonieren mit dem grauen Boden. Den grünen Balken über der Theke hält Enrico allerdings für überflüssig. Auch das Licht ist ihm zu grell, schmerzt seine Augen, die nicht mehr an Helligkeit gewöhnt sind.
    Als eine blonde Frau im Pelz das Bahnhofscafé betritt, drehen sich die Köpfe aller Männer wie auf Kommando zur Tür. Vereinzelt ertönen sogar anerkennende Pfiffe. Selbst der Barkeeper vergißt kurzfristig auf seinen professionell gelangweilten Gesichtsausdruck und mustert sie ungeniert.
    Sie scheint weder die Pfiffe noch das unverschämte Grinsen der Männer wahrzunehmen, geht zur Theke, stellt ihren kleinen, dunklen Koffer neben Enricos Koffer und begibt sich zur Kasse.
    Der Barkeeper läßt sie nicht aus den Augen. Als er ihr den Kaffee reicht, berührt er ihre Hand. »Kandisin?«
    Ein kaum merkliches Kopfschütteln. Sie trinkt ihren Espresso schwarz, ohne Zucker.
    »Schreckliches Wetter heute.«
    Ihre müden Augen streifen Gesicht und Körper des jungen Mannes. Er riecht förmlich nach billigem Vergnügen. In dieser Preiskategorie sind sie alle gleich einfallslos und langweilig, denkt sie und schenkt jetzt auch dem Mann neben ihr einen flüchtigen Blick.
    Enrico schaut nicht einmal auf.
    Belustigt runzelt sie die Stirn, nimmt ein silbernes Zigarettenetui aus ihrer Handtasche, steckt sich eine Zigarette in den Mund und überlegt, ob sie ihn um Feuer bitten soll. Bevor sie sich noch dazu entschließen kann, leuchtet das Feuerzeug des Barkeepers unter ihrer Nase auf.
    Sie bedankt sich, schiebt ihm die leere Tasse hin und geht zu einem Tisch neben der Theke. Ihren Koffer

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