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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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Zauberers, die er in der Vergangenheit miterlebt hatte.
    Es geschah nach Merlins Willen. Das Schneetreiben setzte erst richtig ein, als sie sich vor der kleinen, in Weiß schlafenden Hafenmole von Rebbenesoy befanden. Merlin sprang von Hörns Rücken herab auf das Eis, hieß den Gefährten zu warten und lief durch den tiefen Schnee zu den höher aufgebockten Ruderbooten, die er auf ihre Stabilität und Güte prüfte. Danach sah er sich nach den Außenbordmotoren um, die er aber nicht entdecken konnte.
    Unverdrossen ging er zu den Booten zurück und rüttelte an einem schweren Zwei-Riemer. Es war für ihn unmöglich, diesen auch nur um Haaresbreite zu bewegen. Das Boot war zu schwer und das Holzbord war auf den Böcken festgefroren. Sein Blick fiel auf drei kleinere Ruderboote, die abseits kieloben an einen Baumstamm gelegt worden waren. Merlin ging zu ihnen hinüber und untersuchte sie gewissenhaft. Es waren nur kleine, dafür aber sehr wendige Boote, die ihm wie Miniaturen von Drachenbooten erschienen.
    „Du wirst mir doch keinen Kummer machen?“ flüsterte er vor sich hin, als er sich eines der drei Boote ausgesucht hatte, darunter gekrochen war und es mit Leichtigkeit auf seine Schultern heben konnte. „Na siehst du … und schon sind wir Freunde“, freute er sich über den gelungenen Streich und eilte mit der Last über seinem Kopf durch die Grauheit der Mole. Doch dann fiel er plötzlich über ein im Schnee verstecktes Kabel, rutschte aus und purzelte kopfüber in das Boot, das sich drehte und durch den tiefen Schnee das hohe Ufer hinab in das vereiste Hafenbecken schlitterte. Dort blieb es liegen. Merlin hatte sich mit seinem Kopf unter der Ruderbank verklemmt und konnte sich erst allmählich stöhnend befreien. Dann lausche er in die Umgebung. Um ihn herum war nur knisternder Schnee, keine Stimme, keine Lichter, keine Aufregung, kein Geschrei. Die nordische Trance und ein plötzlich herbeilaufender Hirsch, der Merlin lächelnd ansah, hatten ihn wieder.
    „Hier ist dein Kapitän, Hörn. Wir setzen Segel und nehmen Kurs auf Nordkvaloy“, triumphierte Merlin.
    Hörn lachte, seufzte dann über seinen Freund, nickte dann jedoch und bekam eine eisverklumpte Leine um den Hals gebunden, die an dem Boot befestigt gewesen war. Er drehte sich in die Ungewißheit des finster werdenden Fjordes, warf einen Blick zurück auf Merlin, der schaukelnd im Boot saß, und zog an, mit der Holzschale im Schlepptau.
    Merlin kicherte und ließ weit draußen auf dem Eis Seemannslieder erklingen, als wäre er der Maat eines Geisterschiffes. Dann hüpfte er aus der über den Schnee gleitenden Schale, lief fröhlich zu Hörn, schlug ihm an den Hals und lobte seine Ergebenheit sowie sein geduldiges Verständnis.
    „Am meisten danke ich dir für die Fragen, die du mir nicht gestellt hast, Hörn“, sagte Merlin wieder ernst. „Wir beide werden die Schale brauchen … schon bald … sehr bald.“ Und schweigend liefen sie nebeneinander her, jeder in seinen Gedanken versunken und Hörn das Boot hinter sich hertreidelnd.
    Der Schneefall ließ nach und plötzlich sagte Merlin, daß man sie erwarten würde. Er sagte, daß gute Freunde gekommen seien, und Hörn fragte sich, wohin guten Freunde gekommen sein könnten und wo man sie erwarten würde. Und er fragte sich, wofür sie dieses Boot brauchten, in das er selbst nicht einmal zur Hälfte hineinpasse. Oder hatte sich Merlin nur gedacht, daß Hörn ihn zum Zeitvertreib wie auf einem Schlitten durch die Schneewüsten des Winters ziehen würde? Der Hirsch starrte in die Finsternis und ihre Insel war schwach zu erkennen, so auch die in die Eisfluten gesenkten Wurzeln des Felsens. Doch Anzeichen für Gäste gab es keine und keine Witterung von Fremden, denn nicht alle Freunde Merlins waren gleichzeitig seine Freunde.
    Als sie die ersten Felsen von Nordkvaloy erreicht hatten, löste Merlin die Zugleine vom Hals des Hirsches und Hörn fragte, ob das Boot in den Klippen liegenbleiben könne. Doch Merlin war in Gedanken schon nicht mehr bei ihm, sondern beim Willkommen der Freunde, die er erwartete.
    Hörn schob das Boot dicht an die Klippen heran und folgte dann Merlin zu dem Felsplateau der Höhle, über den Geröllpfad, der sich in der undurchsichtigen Dunkelheit emporschlängelte.
    Durch die Wolken und den Schnee hatte sich die Luft etwas erwärmt, doch der stete Westwind trieb sie wieder auseinander. Die ersten Sterne glitzerten schon wieder zwischen den losen Wolkenhaufen, die wundervoll

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