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Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Artefakt handelte, so groß, daß ich es kaum mit den Armen umspannen konnte, und an der einen Seite mit allerlei Kontrolleinrichtungen bedeckt. Weitere fünf Minuten, schätzte ich, und wir hatten die Kugel freigelegt.
    „Warte“, sagte Mirrik. „Ich glaube, genau in diesem Augenblick sollte ich für den Erfolg unserer Arbeit beten.“
    Mirrik machte das oft. Er ist sehr religiös, weißt du. Als Paradoxist verehrt er die gegensätzlichen Kräfte des Universums, und er platzt immer dann mit Gebeten heraus, wenn diese Kräfte besänftigt werden müssen, was ziemlich oft der Fall ist. Kelly zog ihren Bohrer zurück, und Mirrik kniete sich demütig in der Grube nieder, faltete seine riesigen Beine unter seinem massigen Körper zusammen und lehnte seine Stoßzähne an die Kugel. Er begann, in Dinamonianisch zu seufzen und zu stöhnen. Später bat ich ihn, mir das Gebet zu übersetzen, und er nannte mir diese Version:
     
    „O Herr der Konfusionen und des Kummers, steh uns bei.
    O Du, dessen Sein wir bezweifeln,
    bezweifle uns nicht gerade jetzt.
    O Regent des Unregierbaren,
    o Schöpfer des Unschöpfbaren,
    o Sprecher der Wahrheit, der Du lügst,
    laß unseren Geist wachsam sein und unsere Augen scharf.
    O enthülltes Mysterium, o tugendhafte Schlechtigkeit,
    o Dunkelheit im Licht, tröste uns
    und führe uns und geleite uns.
    Laß uns keine Fehler machen.
    Auf daß wir kein Bedauern empfinden.
    Sei nun bei uns wie am ersten und am letzten aller Tage.
    Du Hüter von Schicksalen
    und Zerschmetterer von Mustern,
    gib uns Deine Gnade,
    denn im Haß liegt die Liebe, in Blindheit liegt
    Sehen, in Falschheit liegt Aufrichtigkeit.
    Amen. Amen. Amen.“
     
    Du stimmst sicher mit mir überein, daß dies eine seltsame Art von Gebet ist. Und eine seltsame Art von Religion ebenfalls. Das Problem mit den Fremden besteht darin, daß sie dazu neigen, so fremdartig zu sein. Aber ich habe Mirrik darum gebeten, mir an einem der nächsten Tage den Paradoxismus zu erklären, und vielleicht macht er das.
    Als er sein Gebet beendet hatte, schob er sich zurück, bohrte seine Stoßzähne unter die große Kugel, gab ein enthusiastisches Ächzen von sich und stieß zu. Die Kugel zitterte ein wenig. Er stieß erneut zu. Die Kugel zitterte stärker.
    „Her mit dem Bohrer!“ schrie ich. „Kratz einfach diese kleine Steinkruste weg, und wir haben’s geschafft!“
    Mit einer Art von glücklichem Wahnsinn, der uns drei am Boden der Grube erfaßt hatte, zerrten wir, gruben mit den Stoßzähnen und bohrten. Wir behinderten uns gegenseitig, rangen um den besten Platz und grapschten nach der Kugel, was zusammen ein idiotisches Bild erster Güteklasse ergab. Wir glaubten, die Kugel nun freizubekommen, doch sie war fester eingebettet, als wir angenommen hatten, und wir waren erschreckend nahe daran, sie zu beschädigen in unserer verrückten Hast, sie freizulegen.
    Plötzlich sagte eine frostige und dünne und wütende Stimme:
    „Was macht ihr da? Ihr Idioten! Ihr Vandalen! Ihr Verbrecher!“
    Ich sah hinauf. Dr. Horkkk starrte zu mir herunter. Seine Augen waren rot unterlaufen vor Zorn und fünfmal so groß wie sonst. Er gestikulierte mit allen seinen Armen zugleich und hüpfte auf drei Beinen herum, während er sich mit dem vierten selbst heftige Tritte versetzte: ein Verhalten, das bei den Bewohnern von Thhh helle Aufregung zum Ausdruck bringt. Sowohl sein Eß- als auch sein Sprechmund waren vor Wut weit aufgesperrt.
    „Wir haben diese Kugel gefunden“, erklärte ich, „und jetzt versuchen wir, die Sandsteinschicht beiseite zu schaffen, und …“
    „Ihr werdet alles zugrunde richten! Dummköpfe! Mörder!“
    „Nur noch einen Augenblick, Dr. Horkkk, dann haben wir’s geschafft.“
    Du mußt wissen, daß während meiner Diskussion mit Dr. Horkkk Mirrik und Kelly und ich unsere Bemühungen, die Kugel freizulegen, fortsetzten. Womöglich noch eiliger und hastiger, als hinge das Schicksal des Universums davon ab, ob wir die Kugel innerhalb der nächsten zwei Minuten aus dem Gestein herausholten. Dr. Horkkk kreischte und schrie und sprang herum. Ich hörte ihn undeutlich sagen: „… oder ich werde Sie alle drei rauswerfen!“
    Andere Gesichter starrten nun in die Grube hinab. Ich warf einen Blick über die Schulter und erkannte Pilazinool, 408b, Saul Shahmoon und Jan. Halb verrückt vor Zorn, konfiszierte Dr. Horkkk Pilazinools Bein und zeigte damit auf uns, während er sich mit einem Schwall von Worten ereiferte, bei denen es sich, wie ich

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