Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narziss Und Goldmund

Narziss Und Goldmund

Titel: Narziss Und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
gelegen sein, dich eitel zu machen?
    Du bist schön, und ich möchte dir zeigen, daß ich dafür dankbar bin. Du zwingst mich, es dir mit Worten zu sagen; ich könnte es dir tausendmal besser sagen als mit Worten.
    Mit Worten kann ich dir nichts geben! Mit Worten kann ich auch nichts von dir lernen und du nichts von mir.«
    »Was soll ich denn von dir lernen?«
    »Ich von dir, Lydia, und du von mir. Aber du willst ja nicht. Du willst ja nur den liebhaben, dessen Braut du sein wirst. Er wird lachen, wenn er sieht, daß du nichts gelernt hast, nicht einmal küssen.«
    »So, also im Küssen möchtest du mir Unterricht geben, Herr Magister?«
    Er lächelte ihr zu. Gefielen auch ihre Worte ihm nicht, so konnte er doch hinter ihrem etwas heftigen und unechten Klugreden ihr Mädchentum spüren, wie es von der Lüsternheit ergriffen war und sich angstvoll dagegen wehrte.
    Er gab keine Antwort mehr. Er lächelte ihr zu, hielt ihren unruhigen Blick mit seinen Augen fest und gefangen, und 119
    während sie sich, nicht ohne Widerstand, dem Bann ergab, näherte er langsam sein Gesicht dem ihren, bis die Lippen sich berührten. Leise streifte er ihren Mund, der gab ihm mit einem kleinen Kinderkuß Antwort und öffnete sich wie in schmerzlichem Erstaunen, als er ihn nicht wieder losließ.
    Sanft werbend folgte er ihrem zurückfliehenden Munde, bis er zögernd wieder entgegenkam, und lehrte die Bezauberte ohne Gewalt das Nehmen und Geben des Kusses, bis sie erschöpft ihr Gesicht auf seine Schulter drückte. Er ließ es ruhen, roch beglückt an ihrem starken blonden Haar, murmelte zärtliche und beruhigende Töne in ihr Ohr und erinnerte sich in diesen Augenblicken daran, wie er, ein ahnungsloser Schüler, einst durch die Zigeunerin Lise in das Geheimnis eingeweiht worden war. Wie schwarz war ihr Haar gewesen, wie braun ihre Haut, wie hatte die Sonne gebrannt und das welke Johanniskraut geduftet! Und wie weit lag das schon, aus welcher Ferne schon blitzte es herüber. So schnell ward alles welk, was kaum noch blühte!
    Langsam richtete Lydia sich auf, mit verwandeltem Gesicht, ernst und groß blickten ihre liebenden Augen.
    »Laß mich gehen, Goldmund«, sagte sie, »ich war so lange bei dir. O du, o mein Lieber du!«
    Sie fanden jeden Tag ihre verschwiegene Stunde, und Goldmund ließ sich ganz von der Liebenden führen, wunderbar beglückte und rührte ihn diese Mädchenliebe.
    Manches Mal mochte sie eine ganze Stunde lang nichts als seine Hände in ihren halten und in seine Augen sehen und nahm Abschied mit einem Kinderkuß. Andere Male küßte sie hingegeben und unersättlich, duldete aber keine Be-rührung. Einmal, tief errötend und mit Überwindung, im Willen, ihm eine große Freude zu machen, ließ sie ihn eine ihrer Brüste sehen; schüchtern brachte sie die kleine weiße Frucht aus dem Kleide hervor; als er sie knieend geküßt hatte, verhüllte sie sie wieder mit Sorgfalt und war noch 120
    immer rot bis zum Halse. Sie sprachen auch, aber auf eine neue Art, nicht mehr so wie am ersten Tage; sie erfanden Namen füreinander, gern erzählte sie ihm von ihrer Kindheit, ihren Träumen und Spielen. Auch davon sprach sie oft, daß ihre Liebe unrecht sei, da er sie nicht heiraten kön-ne; traurig und ergeben sprach sie davon und schmückte ihre Liebe mit dem Geheimnis dieser Traurigkeit wie mit einem schwarzen Schleier.
    Zum erstenmal fühlte sich Goldmund von einer Frau nicht nur begehrt, sondern geliebt.
    Lydia sagte einst: »Du bist so hübsch und siehst so heiter aus. Aber in deinen Augen innen ist keine Heiterkeit, da ist lauter Trauer; wie wenn deine Augen wüßten, daß es kein Glück gibt und daß alles Schöne und Geliebte nicht lange bei uns bleibt. Du hast die schönsten Augen, die es geben kann, und die traurigsten. Ich glaube, das ist, weil du heimatlos bist. Du bist aus den Wäldern zu mir gekommen, und einmal wirst du wieder fortgehen und auf Moos schlafen und wandern. – Aber wo ist denn meineHeimat?
    Wenn du fortgehst, dann habe ich wohl noch einen Vater und eine Schwester und habe eine Kammer und ein Fenster, wo ich sitzen und an dich denken kann; aber Heimat werde ich keine mehr haben.«
    Er ließ sie sprechen, manchmal lächelte er dazu,
    manchmal war er betrübt. Mit Worten tröstete er sie nie, nur mit leisem Streicheln, nur indem er ihren Kopf an seiner Brust hielt und leise sinnlose Zaubertöne summte, wie die Ammen sie zum Trost der Kinder summen, wenn sie weinen. Einmal sagte Lydia: »Ich möchte wohl

Weitere Kostenlose Bücher