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Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Nelson, das Weihnachtskaetzchen

Titel: Nelson, das Weihnachtskaetzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Steinbach
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schon jetzt auf die Adventszeit einstimmte, am Abend vor der Eröffnung des Weihnachtsmarktes.
    Arthur Hummel ertappte sich dabei, in Weihnachtsstimmung zu geraten. Er nahm sich zusammen. So ein Unsinn! Missmutig blickte er aus seinem Holzhäuschen heraus. Vielleicht wurden ja nur irgendwo die Lautsprecher getestet.
    Draußen in den Gängen wurde überall gearbeitet. Schmale Häuschen wurden aufgebaut, mit Giebelchen und hübschen Markisen. Ein kleines Weihnachtsdorf entstand hier, mitten in Berlin, dahinter ragte das Rote Rathaus in den Himmel und ein Stück weiter der Fernsehturm. Schausteller schmückten Weihnachtsbäume, installierten Lichter und räumten Waren ein. In den Pausen standen sie in kleinen Gruppen zusammen und probierten schon mal den Glühwein dieser Saison. Wie jedes Jahr vor der Eröffnung herrschten Aufregung und Vorfreude. Würde es ihnen gelingen, wieder einen bunten und unvergesslichen Weihnachtsmarkt zu erschaffen? An den sich die Kinder der Stadt noch lange erinnerten? Alle nahmen das als sportliche Herausforderung.
    »Hey, Opa!«, rief ein türkischer Jugendlicher, der mit seinen Eltern den Socken- und Wollmützenstand nebenan betrieb. »Mach doch mal eine Pause! Komm zu uns, wir trinken ein Glas Punsch. Du bist herzlich eingeladen!«
    Der junge Mann kannte Arthur Hummel offenbar noch nicht. Sonst hätte er niemals so etwas gefragt.
    »Du bist wohl neu hier, du Rotzlöffel. Ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf!«
    Der Junge grinste frech. »Sorry. Und was ist jetzt mit dem Punsch?«
    »Ich hab keine Zeit für so was. Ich bin schließlich zum Geldverdienen hier. Und jetzt troll dich, und lass mich in Ruhe arbeiten.«
    Arthur stellte einen Karton mit geschnitzten Krippenfiguren auf die Verkaufsfläche und wickelte einen betenden Hirten aus. Vorsichtig lugte er zum Nachbarstand, wo der Junge ein paar andere Schausteller zusammengetrommelt hatte. Die Stimmung war gut, es wurde viel gelacht. Arthur achtete nicht darauf und wandte sich seiner Arbeit zu. Er hatte es immer vorgezogen, Abstand zu den anderen Schaustellern zu halten. Sich mit Menschen einzulassen bedeutete nur, Ärger zu bekommen. Es war besser, er blieb allein mit seiner Arbeit.
    Das ganze Jahr über saß er in seiner kleinen Werkstatt und schnitzte Krippenfiguren. Nirgendwo sonst konnte er seine Einsamkeit so gut vergessen. Er konnte völlig versinken in dieser Arbeit, denn er liebte seine Figuren, jedes Detail an ihnen. Natürlich stand der Verkaufspreis in keinem Verhältnis zu den endlosen Arbeitsstunden. Aber das störte ihn nicht. Solange irgendein Detail – die Finger des Jesuskindchens oder die Nüstern des Esels – nicht perfekt war, legte er die Figur nicht aus der Hand. Er steckte sein ganzes Können hinein, bis alles am Ende genauso aussah, wie er sich das vorstellte. Seine Krippen sollten die schönsten der ganzen Stadt sein. Dafür arbeitete er Tag und Nacht.
    Wieder wurde nebenan laut gelacht. Punsch und Glühwein wurden ausgeschenkt. Die Schausteller trugen die übliche Kleidung: dicke Stiefel, warme Hosen und mehrere Pullover übereinander. Arthur betrachtete die fröhliche Runde, doch ihm fiel nichts ein, was er mit ihnen hätte reden können. Er blieb lieber für sich.
    Ein Stück entfernt entdeckte er plötzlich eine Katze. Ein schmales, getigertes Tier, das an den Hütten entlangschlich. Wer brachte denn sein Haustier zum Weihnachtsmarkt mit? Und war es richtig, das Tier allein in der Kälte herumlaufen zu lassen? Nicht, dass es am Ende noch verloren ging.
    Arthur beugte sich über seine Verkaufsfläche.
    »He!«, rief er in Richtung der Schausteller. »Wem gehört denn …?«
    Er stockte. Die Leute drehten sich zu ihm um. Ihre Gesichter wirkten distanziert. Im Gegensatz zu dem Jungen, der ihn zum Punschtrinken eingeladen hatte, kannten sie Arthur bereits. Sie waren dem mürrischen und einsilbigen Mann schon in den vergangenen Jahren auf dem Markt begegnet. Keiner von ihnen schien ihn besonders zu mögen.
    »Was gibt’s denn, alter Mann?«, rief einer.
    Arthur sah zu der Stelle hinüber, wo er eben die Katze gesehen hatte, doch die war verschwunden.
    »Ach nichts«, brummte er und wandte sich wieder seinen Figuren zu. Die Schausteller murmelten, es wurde gekichert, doch Arthur störte sich nicht daran. Er wollte mit den anderen ohnehin nichts zu tun haben. Was ging es ihn an, wenn da jemand nicht auf seine Katze aufpassen konnte? Sollte das Tier doch hier erfrieren, das war nicht sein Problem.

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