Neu-Erscheinung
im Publikum.
»Ich glaube es nicht«, sagten Bettina und Barbara Freitag gleichzeitig.
»Ich habe hier nur versucht, eine Rolle zu spielen.«
»Das müssen Sie uns jetzt aber erklären.« Barbara Freitag bemühte sich um peinlich vorgespielte Nüchternheit.
»Nö. Ich muss gar nichts erklären. Das war’s. Ciao!«
Dana stand auf und war im Begriff zu gehen.
»Moment, verraten Sie uns wenigstens noch, wer ist denn dann Bella Gabor?«
»Ich.«
Bettina hielt mir den Mund zu, um nichts zu verpassen. Dana Bischoff jedoch war nicht mehr bereit, irgendwas zu sagen, und verließ das Studio ohne jedes weitere Wort. Das war Barbara Freitag noch nie passiert, und deshalb gab es auch keine Moderationskarte, von der sie einen lustigen Kommentar hätte ablesen können.
»Das gibt’s doch alles gar nicht, war das Masuchs Idee?«
Bettina stellte fest, dass sie noch immer meinen Mund zuhielt. Sie nahm die Hand weg und schaute mich an, erst jetzt begriff sie, was ich da gerade gesagt hatte.
»Was meinst du mit ›Ich‹, Paul?«
»Ich.«
»Du?«
»Ich.«
Ich weiß nicht, warum ich es gesagt hatte: weil es sowieso rausgekommen wäre oder weil ich es endlich loswerden wollte. Ich weiß nur, dass es richtig war.
»Du hast das geschrieben?«, fragte sie mich mit einer Mischung aus aufrichtigem Erstaunen und berechtigtem Zweifel.
»Ja.«
Ich rechnete mit allem. Mit einem anhaltenden ›Paul Elmarrrrr!‹, mit Vorwürfen, übelsten Beschimpfungen und Androhungen jeglicher Art. Stattdessen nahm Bettina nur meine Hand und sprach die wärmsten Worte, die ich mir in diesem Augenblick vorstellen konnte.
»Ich liebe dich, Paul.«
»Ich liebe dich auch, Bettina. Aber willst du denn gar nicht ... ich meine, bist du denn gar nicht ... –«
Bettina legte mir als Antwort nur ihren Zeigefinger auf die Lippen. Und ich verstand sie besser als je zuvor.
Das Schellen des Telefons ignorierten wir und genossen nur diesen einzigartigen Moment, der ohne jedes weitere Wort auskam und dessen Zauber ich noch heute spüre, wenn ich mich daran erinnere.
Stunden später lösten wir uns aus unserer Umarmung und waren uns beide nicht ganz sicher, was da passiert war.
»Und wie ... wie soll das jetzt alles weitergehen?«, fragte ich Bettina.
»Ist doch klar, du schreibst einen Roman.«
»Über die Messias?«
»Quatsch. Das Thema ist durch.«
»Allerdings. Aber ich weiß gar nicht, worüber ich ... –«
»Doch, das weißt du ganz genau. Du schreibst über uns, das hast du doch die ganze Zeit getan.«
Sie hatte recht, sie hatte so verdammt recht. Aber ich hatte nicht nur über uns, sondern für uns geschrieben. Erst in diesem Moment wurde mir das alles klar. Es war rechtzeitig und gut.
Ich grinste, glücklich wie ein Lottogewinner, ich hatte das ganz große Los gezogen, den Jackpot des Glücks. Ich hatte die Welt aus den Angeln gehoben, jedenfalls den Teil, der für mich wichtig war. Glück muss man können, aus der Beliebigkeit dieses Kalenderspruches war für mich eine Wahrheit geworden. Glück muss man können, und jetzt wusste ich auch endlich, wie das ging.
»Also, du schreibst ein Buch, versprochen?«
»Ja, versprochen.«
Das Telefon hatte aufgehört zu schellen, stattdessen klingelte es an der Tür.
»Bestimmt Ansgar und Carola.«
»Meinste?«
»Klar, die haben das doch sicher auch geguckt.«
»Wir müssen ja nicht aufmachen.«
»Die haben uns doch längst gesehen.«
Bettina zeigte zu den offenen Fenstern, die wir traditionell nur dann zuzogen, wenn das Fernsehprogramm zu langweilig war.
»Ich mach auf«, seufzte ich resignierend.
Die Aussicht auf ein langes Gespräch mit den beiden drückte auf meine Stimmung, ich wollte diese Nacht genießen. Nur wir beide. Bettina und ich. Und keine Gespräche über Praktikantinnen, Herausgeber oder die Emanzipation der Frau in der katholischen Kirche.
Es klingelte erneut an der Tür.
»Jaha, komm ja schon.«
Ich öffnete. Von Ansgar und Carola war nichts zu sehen. Dafür sah ich eine Fremde im Halbschatten unseres Eingangs stehen, eine Frau, leicht pummelig, mit warmem Blick und freundlichem Lächeln, vielleicht Mitte 30 , sie schaute mich an, ich hatte sie noch nie gesehen. Irgendwie schien sie etwas Geheimnisvolles zu haben und machte mich völlig sprachlos.
»Guten Abend, Herr Litten.«
»’n Abend.«
Sie sagte nichts.
»Ähm, Entschuldigung, Frau ... – ich meine, kennen wir uns?«
»Tja, ob Sie’s glauben oder nicht ...«
Über dieses Buch
»Eine irre
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