Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
1. Kapitel
M usstest du dir unbedingt die feuchteste Nacht des Jahres aussuchen?«, flüsterte Juliette Sangria ihrer Schwester zu. Ärgerlich wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und kauerte sich noch tiefer ins Gebüsch, um nicht gesehen zu werden.
Scheinwerferlicht strich über den mit üppiger Vegetation bestandenen Bereich, in dem die beiden jungen Frauen sich verbargen, aber es vermochte das dichte Gesträuch und die Vielzahl von Schlingpflanzen und Rankengewächsen, die von den Bäumen herabhingen, nicht zu durchdringen.
Jasmine ließ den Strahl vorbeiziehen, bevor sie mit den Schultern zuckte. »Ich habe diese Typen heute Nacht drei Tiere hereinbringen sehen. Wir müssen sie befreien, bevor sie sie verletzen und Experimente mit ihnen machen. Du weißt, was in diesem Gebäude vorgeht.«
Juliette unterdrückte einen Fluch und verschmolz wieder mit den Schatten, als der breite Lichtstreifen erneut über sie hinwegglitt. Sie war sicher, dass das Licht in erster Linie dazu diente, die abergläubischen Wachmänner zu beruhigen, die sich vor dem vordringenden Dschungel fürchteten. Aus Erfahrung wusste sie, dass der Urwald niemals schlief und stets versuchte zurückzuerobern, was der Mensch ihm nahm.
Das aus Beton und Ziegelsteinen bestehende Gebäude war noch relativ neu, aber schon mit Moos und Pilzen überwachsen und von einem dunklen, schimmligen Grün. Kletterpflanzen rankten sich an den Mauern empor und schlängelten sich über das Dach, als suchten sie einen Weg hinein. Es gab keine Fenster, und Juliette konnte sich vorstellen, wie heiß es drinnen für die Tiere sein musste, trotz der dicken Mauern. Die Luftfeuchtigkeit war hier immer sehr hoch, und das Forschungszentrum war am denkbar ungünstigsten Platz errichtet worden. Juliette wusste natürlich, dass es ganz bewusst an diesem abgelegenen Ort erbaut worden war, um zu verbergen, dass Tiere, die auf der Liste vom Aussterben bedrohter Arten standen, hier für illegale Forschungen benutzt wurden.
»Jazz, wir werden nur sechs Minuten haben, um so viele Tiere wie möglich zu befreien. Einige von ihnen werden sehr unruhig sein, und die, denen nicht mehr zu helfen ist, müssen zurückgelassen werden. Ist das klar?« Sie wusste von der Affinität ihrer Schwester zu wilden Tieren. »Die Leute, die das Labor betreiben, nehmen das hier sehr ernst. Ich glaube, sie würden uns umbringen, Jazz. Versprich mir, dass du, egal, was geschieht, in sechs Minuten draußen bist, auf schnellstem Wege nach Hause zurückkehrst und dich nicht mehr von der Stelle rührst. Ich werde hierbleiben und dafür sorgen, dass sie keines der Tiere wieder einfangen.«
»Du meinst, du wirst eine falsche Spur in den Dschungel legen, um mögliche Verfolger von mir fernzuhalten«, sagte Jasmine.
»Das auch. Wir wissen beide, dass ich sie abhängen kann. Also, ja oder nein, Jazz? Gibst du mir dein Wort darauf? Sonst gehen wir nämlich gar nicht erst hinein.« Wenn Jasmine es nicht versprach, würde Juliette ihre jüngere Schwester heimbringen und in einer anderen Nacht allein zurückkommen. Sie hasste es, dass diese Männer in ihren Dschungel eindringen, Tiere fangen und quälen konnten und auch noch damit durchkamen, aber sie würde nicht das Leben ihrer Schwester deswegen aufs Spiel setzen.
»Sechs Minuten«, bestätigte Jasmine und stellte den Alarm an ihrer Uhr ein.
»Gut, dann wollen wir uns beeilen. Während ich die Wache am Haupteingang außer Gefecht setze, kümmerst du dich um die Alarmanlage.«
Jasmine runzelte die Stirn, nickte jedoch zustimmend. Juliette ließ es immer so leicht erscheinen, aber die Wache abzulenken und auszuschalten, war nun einmal mit Gefahr verbunden. Im Dunkeln schlich Jasmine zu einer anderen Stelle, um schneller an den Schaltkasten mit den Kabeln heranzukommen. Nur wenige Leute schenkten ihm Beachtung, aber Juliette und Jasmine wussten, dass er die wichtigsten Verbindungen der Alarmsignale enthielt. Bei Nacht waren nur die Wachen anwesend, die für gewöhnlich sehr nervös und äußerst abergläubisch waren. Sie schienen ebenso sehr zu fürchten, was draußen im Dunkel des Dschungels lauerte, wie das, was sich in dem Gebäude befand, vor dem sie Wache standen.
Juliette knöpfte ihre Bluse weit auf, bis der dünne Stoff auseinanderklaffte und den Blick auf üppige Rundungen und makellose, zarte Haut freigab. Dann nahm sie eine dicke Banane aus ihrem Rucksack und begann, sie langsam zu schälen, während sie um das Gebäude herumschlüpfte. Als
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