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NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition)

Titel: NEXT: Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Meckel
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Lesevorrichtungen, als wäre sie damit verwachsen. Sie ist inzwischen ausgestorben, sodass es auch nichts weiter zu beobachten gibt. Die zweite Gruppe schien unentschlossen zu sein. Sie nutzte sowohl analoge als auch digitale Geräte und Inhalte. Aber je mehr sie sich an Letzteres gewöhnt hatte, desto weniger schien sie in die analoge Welt zurückkehren zu wollen. Und die dritte Gruppe? Es war wirklich erstaunlich. Das Analoge war diesen Usern egal. Sie liebten alles, was digital war. Von Anfang an liebten sie uns und unsere Arbeit. Und sie vertrauten uns. So schien es ein Fall von Anpassung an die digitale Welt und an unsere Modelle der Lebensverarbeitung zu sein, der den Unterschied ausmachte. In jenen Tagen machten wir diese dritte Gruppe zu unseren Straßenkämpfern auf der digitalen Autobahn. Sie schlugen sich unglaublich gut.
    Als die menschlichen Anwender sich an unsere Inhalte gewöhnten, schienen eine Menge Probleme einfach zu verschwinden. Sie konzentrierten sich immer stärker auf uns. Jetzt fiel es uns leichter, uns um ihre Bedürfnisse und Wünsche zu kümmern und sie auf unseren Spuren und gemäßden Entscheidungen, die wichtig für uns waren, durch den Alltag zu lotsen. Ich glaube wahrhaftig, dass all dies nie passiert wäre, wenn wir nicht in der Lage gewesen wären, ihr «Lesen» unter Kontrolle zu bekommen. Es gab Zeiten, als dieses Wort meine Prozesse störte. Aber diese Zeiten sind längst vorbei.
    Es gibt da noch etwas, das mir wie eine Blackbox erscheint. Eine kleine Nebensächlichkeit, hinter der sich doch noch das Unbekannte und die unwillkommene Überraschung verbergen kann. Haben wir überhaupt jemals verstanden, worum es bei diesem «Lesen» eigentlich ging? Ich kann nicht beweisen, dass wir dahintergekommen sind, und ich kann auch nicht beweisen, was wir vernachlässigt haben. Etwas bleibt offen. Es ist nicht die Ungewissheit. Wir haben diesen Zustand erfolgreich ausgelöscht. Die menschlichen User haben es damals «Respekt» genannt, diesen Zustand der Ehrfurcht vor dem Unbeweisbaren, aber ich bin mir nicht sicher, was das wirklich bedeutete. Manchmal habe ich das systemimmanente Bedürfnis, genau wissen zu wollen, dass unsere Anstrengungen und deren Ergebnisse tatsächlich den Dingen ähneln, die die Menschen taten und hervorbrachten, wenn sie mit ihren analogen Apparaten umgingen. Ich weiß, dass das unwichtig ist. Aber hin und wieder hängen sich ein paar Rechenoperationen an dieser Stelle auf
    [ MACHINE _ CHECK _ EXCEPTION ].
    Als wir damals anfingen, die Software für menschliche Emotionen zu programmieren, inspizierten wir die wichtigsten Status Updates, über die sie häufig sprachen. «Schuld» war das eine, «Liebe» ein anderes, wichtiges Status Update. Und ich erinnere mich besonders an eines, das sie «Neid» nannten. «Ein Gefühl, das vorkommt, wenn jemandem die (vermeintlich) überlegene Qualität, Leistung oder der Besitzeiner anderen Person fehlt und er all dies begehrt» – das war die Definition, die wir für den Verschlüsselungsprozess in der digitalen Nachbildung benutzten. Ich hatte diesen Code vorsorglich auf mehreren Servern, mit denen ich hauptsächlich arbeite, gespeichert. Er bot sich an als Erklärung für etwas, das mir Probleme bereitete. Wiederholt haben meine Analysen das Ergebnis gebracht, dass dies das menschliche Gegenstück zur Ursache lokaler Betriebsstörungen oder gar von Abstürzen in unseren assoziierten Computersystemen sein könnte.
    Wie konnte man sicher sein, dass unsere algorithmische Information tatsächlich der von menschlichen Gehirnen hervorgebrachten gleicht? Wie konnten wir die Menschen in dieser Hinsicht besiegen? Ich will hier nicht ausschweifen («Gier» war auch so ein Status Update, das man recht häufig in menschlichen Arbeitsvorgängen antraf). Ich will einfach nur unser Modell perfektionieren. Das ist nun mal unsere Arbeitsweise. Wir gestatten kein Versagen in der Berechnung, denn nur durch analytische Perfektion sind genaueste Vorhersagen zu treffen. Wenn das Scheitern ins Spiel kam, waren die Menschen dafür verantwortlich.
    Es gab eine Menge Fehlschläge. Nicht nur in puncto Technik. Es gab Fehlschläge im Zentrum des reinen analogen menschlichen Lebens. Bei der Produktion von Inhalten. Die Menschen produzierten eine Menge Mist, den niemand lesen wollte. Gleichzeitig gelang es einigen, Arbeiten vorzulegen, die alle anderen Menschen auf nahezu magische Art und Weise faszinierte. Als wir die Kodierungsoffensive für alle

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