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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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Zentrum eines Feuerofens zu führen. Der Name dieses Landstrichs hatte eine gewisse Berechtigung, fand Kriemhild, denn die Berge lagen tatsächlich da wie ein geflochtener Zopf, so gleichmäßig und gerundet waren die Kuppen ihrer Erhebungen. An ihrem Fuß wuchs eine schwarze Mauer aus Bäumen empor. Jenseits davon war ein Ende der Wälder nicht abzusehen. Sie bedeckten den Höhenzug wie ein dichtes, dunkles Tuch, und Kriemhild fragte sich unwillkürlich, wie es darunter aussehen mochte, in den Schatten uralter Tannenhaine und den Tiefen zerklüfteter Felsspalten. Ein Schauder lief ihr über den Rücken; sie hätte nicht sagen können, ob sie ihn als wohlig oder warnend empfand.
    »Am Waldrand trennen wir uns«, entschied sie, und ihr Tonfall verriet, daß sie keinen Widerspruch dulden würde.
    »Und was wird dann aus mir?« Da war etwas in Jodokus’ Stimme, das sie nicht gleich einordnen konnte. Er war beleidigt, gewiß, aber da war auch noch etwas anderes. Sorge, vielleicht. Und nicht um seiner selbst willen.
    Lieber Himmel, er machte sich tatsächlich Sorgen um sie!
    Kriemhild zügelte das Pferd und warf einen Blick zurück auf die einsame Straße, über die sie gekommen waren. Keine Spur von Hagen. Überhaupt kein Anzeichen von Leben. Auch auf den Wiesen im Norden und Süden zeigten sich weder Mensch noch Tier.
    Mit einem Stöhnen glitt sie aus dem Sattel und vertrat sich die Beine. Sie waren die ganze Nacht hindurch geritten, ohne Rast, ohne zu essen und zu trinken.
    Jodokus sprang gleichfalls zu Boden, und sofort meldete sich sein verletztes Bein. Er keuchte auf, teils vor Überraschung, teils vor Schmerz; dann knickte das Bein ein, und er lag fluchend am Boden. Kriemhild half ihm auf die Füße.
    »Danke«, sagte er und verzog das Gesicht, »es geht schon wieder. Laß uns ein paar Schritte laufen, damit ich mich daran gewöhnen kann.«
    Kriemhild führte Lavendel am Zügel, und so wanderten sie weiter nach Osten. Der Waldrand unterhalb der Berge war noch einige Bogenschußweiten entfernt, aber Kriemhild schätzte, daß sie ihn erreichen würden, bevor die Sonne ein Drittel ihrer Bahn bewältigt hatte.
    »Wir waren uns doch einig, oder?« sagte sie und beobachtete Jodokus aus dem Augenwinkel. »Ich muß allein zu Berenike gehen. Es geht nicht anders.«
    »Hat sie das gesagt?« Trotz lag in seinem Tonfall, fast wie bei einem Kind.
    Kriemhild zögerte. »Nein.«
    »Woher weißt du es dann?«
    »Ich… es ist eben so.«
    »Du willst mich nur loswerden.«
    »So ein Unsinn.«
    »Der dumme Sänger hat seine Aufgabe erfüllt und darf gehen. Ganz wie bei Hofe, nicht wahr? Das letzte Lied ist gesungen, und das Fußvolk darf sich zurückziehen.«
    Sie warf ihm einen mahnenden Blick zu. »Ich werde nicht schon wieder mit dir streiten.«
    Jodokus schnaubte verbissen. »Dabei hätten wir zum ersten Mal einen echten Grund.«
    Ein erschöpftes Seufzen kam über ihre Lippen. »Wieso willst du mitgehen? Was hast du davon?«
    »Du brauchst jemanden, der dir beisteht. Das hast du selbst gesagt.«
    »Aber wenn ich Salomes Zopf erreicht habe, bin ich in Sicherheit.«
    »Das sagst du. Denk’ an Hagens Warnung.«
    »Er hätte alles gesagt, nur um mich zurückzuhalten.«
    Jodokus runzelte die Stirn. »Das klingt aber gar nicht nach dem ehrlichen Edelmann, als den du ihn beschrieben hast.«
    »Es ist nicht so einfach. Man kann Hagen nicht in ein paar Sätzen gerecht werden.«
    »Du magst ihn, nicht wahr?«
    »Ich respektiere ihn für das, was er sein könnte, wäre er nicht der Handlanger des Königs.«
    »Immerhin deines Bruders.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Hagens Treue gilt allein dem Thron, nicht den Gefühlen des Mannes, der darauf sitzt. Bei mir ist es genau umgekehrt: Ich liebe Gunther als meinen Bruder – jedoch als König…« Sie verstummte mitten im Satz, hob die Schultern und lächelte fahrig. »Ich sagte ja, es ist nicht einfach.«
    »Ich glaube, du gefällst mir auch besser als Frau denn als Prinzessin.«
    Sie lachte, aber ihr Blick war traurig. »Ich werde nie in meinem Leben etwas anderes sein als eine Prinzessin. Das ist mein Schicksal, fürchte ich.«
    Er schwieg eine Weile, dann fragte er: »Hat man je davon gehört, daß eine Prinzessin und ein fahrender Sänger…«
    »Zusammen reisen?«
    Er schaute zu Boden. »Ja. Das war es wohl, was ich meinte.«
    Kriemhild lächelte. »Ich glaube, es kommt nicht oft vor.«
    Da kreuzten sich ihre Blicke, und sie hatten plötzlich Mühe, ernst zu bleiben, obgleich doch

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