0463 - Der Leopardenmann
Schon sehr früh hatte die dunkelhäutige Tiffany Rogers es sich angewöhnt, ausgedehnte Spaziergänge zu machen. Dabei war sie mit sich allein, hatte Bewegung, gleichzeitig aber auch Ruhe, um über Gott und die Welt nachzudenken. Meist verlegte sie diese Spaziergänge in die Abenddämmerung oder in die frühen Nachtstunden. Dann lief sie nicht Gefahr, daß ihr andere Spaziergänger begegneten und sie in ihren Gedanken störten. Vor allem Männer, die ihr ihre Begleitung antragen wollten - ein Mädchen durfte ja schließlich nicht allein durch die böse wilde Welt wandern, sondern mußte unbedingt vom Helden ihrer Träume vor allen möglichen und unmöglichen Gefahren beschützt werden. Bloß sahen Tiffanys Träume von einem Helden etwas anders aus als die Typen, die sich ihr zuweilen näherten.
Nicht, daß sie etwas gegen Männer gehabt hätte. Sie fand sie in manchen Situationen ganz praktisch. Zum Beispiel, wenn es darum ging, den geplatzten Reifen ihres Autos zu wechseln oder die Rechnung im Restaurant zu bezahlen. Und es gab auch durchaus ein paar Jungs, mit denen man auch noch anderweitig Spaß haben konnte. Spaß, dem sie nicht aus dem Weg ging, wenn ihr der Typ gefiel.
Aber der Mann ihrer Träume war ihr bisher noch nicht über den Weg gelaufen.
Auch nicht im tiefsten, schwärzesten Afrika.
Ihr Boß hatte sie nach Likasi geschickt. Das war ein Kaff im Süden Zaires. »Sie mögen doch tropische Regionen, Tif«, hatte er gesagt, weil er wußte, daß sie jedes zweite Jahr ihren Urlaub in Tropenländern verbrachte und in der Zwischenzeit darauf sparte, sich die kostspieligen Trips leisten zu können. »Fliegen Sie diesmal auf Kosten der Firma, Tif, erledigen Sie Ihren Job dort, und wenn Sie dann noch eine Woche Urlaub dranhängen, ehe Sie wieder auf Firmenkosten zurückfliegen, wird niemand etwas dagegen sagen!«
Sie hatte zugestimmt. MacRough wußte ihre gute Arbeit zu schätzen. Ihr Engagement in dem weltweit operierenden Großkonzern mit vielen Tochter- und Zweigunternehmen in allen möglichen Branchen ging über das Normalmaß hinaus. Deshalb gab man ihr auch ein paar Freiheiten, von denen andere Mitarbeiter nur träumen konnten.
Sie war von El Paso nach New York geflogen, von dort über die Azoren nach Kairo, und von Kairo aus nach Lubumbashi. Da hörte der Süden Zaires schon auf. Mit der Bahn hatte sie dann noch einmal abenteuerliche neunzig Meilen nordwestwärts nach Likasi zurückzulegen.
Einen Assistenten hatte sie auch mitnehmen dürfen. Daß der hauptsächlich ihr Beschützer sein sollte, hatte sie schnell mitbekommen. Für ihre Vertragsverhandlungen benötigte sie ihn nämlich nicht. Sie hatte im Alleingang, nur gestützt durch das Vertrauen, das die Firmenzentrale in El Paso in sie und ihre Fähigkeiten setzte, schon ganz andere Verträge unter Dach und Fach gebracht als diese Kupferminen-Geschichte. Und das, obgleich sie erst 25 Jahre alt war, und obgleich sie nur eine Frau war. Aber ihr größtes Handicap war dabei auch noch ihre dunkle Haut.
In Afrika, in Zaire, wurde das für sie plötzlich zum Bonus, und fast spielerisch hatte sie mit den Kupferminen- und Verhüttungs-Leuten verhandeln können, denen sie allein deshalb sympathisch war, weil die Yankees sich mal einmal dazu herabgelassen hatten, eine Negerin zu Verhandlungen mit Negern zu entsenden. Und verflixt hübsch war sie auch noch; ein warmes Lächeln reichte, männlichen Widerstand schmelzen zu lassen.
Vielleicht wäre sie auf die Stupsnase gefallen, wenn sie mit Stammeshäuptlingen hätte verhandeln müssen, die noch nach den Traditionen ihres Volkes lebten. In der Industrie, in der Geschäftswelt hatte aber auch hier schon ein Umdenken stattgefunden. Ob man mit Mann oder Frau verhandelte, war gleichgültig, solange man mit Geld verhandelte. Und das hatte sie im Rücken.
Zaire brauchte Geld.
Wer brauchte es nicht?
Ihren »Leibwächter« hatte sie bisher noch nicht als solchen in Anspruch nehmen müssen. Deshalb verzichtete sie auch dankend darauf, daß er sie bei ihren Spaziergängen begleitete, auf die sie auch hier in Likasi nicht verzichten wollte. Sie wohnte im »Royal Imperial«, einem Hotel, das noch aus der belgischen Kolonialzeit stammen mußte. Sie hatte schon bessere Häuser kennengelernt, aber wenn man afrikanische Ansprüche als Maßstab nahm, war das hier Erste Klasse. Es machte sich bemerkbar, daß es hier in der Kupferprovinz Shaba, die früher Katanga hieß, wenig Tourismus gab. Wer hierher kam, kam aus
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