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Nibelungen 09 - Der Zwergenkrieg

Titel: Nibelungen 09 - Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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begann Geist, verstummte kurz und begann von neuem. »Das war nicht mein Verdienst. Es ist einfach geschehen, versteht ihr? Ich wußte doch gar nicht, was ich da tat. Es waren die Pflanzen. Es war das Moos.«
    Löwenzahn fuhr sich durch seine schwarze Haarmähne. »Das begreife ich nicht.«
    Geist tapste unruhig von einem Fuß auf den anderen. Sie sah aus, als kämpfte sie mit den Tränen. »Ich habe die ganz Zeit darüber nachgedacht. Ich glaube, ich weiß jetzt endlich, was geschehen ist.«
    »Es ist die Magie des Drachen in dir«, sagte Alberich ungeduldig. Immer wieder schaute er sich besorgt zum Tor der Halle um.
    »Laß sie ausreden!« fuhr Mütterchen ihn an und tätschelte Geists bemoosten Handrücken.
    »Alberich hat recht«, bestätigte Geist, »es ist die Magie. Aber nicht immer habe ich Einfluß darauf. Was in dieser Grotte geschehen ist, das war nicht mein Tun. Oder zumindest nicht meines allein.« Sie rang verzweifelt nach Worten. Mütterchen lächelte ihr beruhigend zu, während Alberich immer ungeduldiger wurde. »Das Moos an den Wänden, die Pflanzen in dieser Höhle, sie haben durch mich gewirkt. Ich war ihre Waffe. Die Zwerge hatten Teile des Mooses vernichtet und damit die Pflanzen gegen sich aufgebracht. Ihr Zorn hat mich verwandelt, hat mich zu dem gemacht, was ihr gesehen habt, diesem Ding an der Decke, das mit seinen Ästen tötet wie Löwenzahn mit seinem Schwert.« Nun weinte sie wirklich, doch als Mütterchen sie tröstend in den Arm nehmen wollte, schüttelte das Moosfräulein den Kopf. »Ich trage das Erbe des Drachen in mir, aber ich weiß nicht, ob es wirklich ein Segen ist. Ich habe keine Macht darüber. Es tut mit mir, was es will, die Pflanzen tun mit mir, was sie wollen. Ja, vielleicht könnte ich kämpfen, vielleicht könnte ich noch mehr Zwerge töten, sogar einige dieser Nordlinge. Aber keiner fragt mich, ob ich töten will . Das Moos an den Wänden hat es gewollt, und es hat mich dazu gebracht, seinem Willen zu gehorchen. Aber was, wenn es dort, wo wir auf unsere Gegner treffen, kein Moos gibt, keine Pflanzen, die diese Mächte in mir steuern?« Sie schüttelte bedrückt den Kopf. »Ich allein kann es nicht.«
    Mütterchen versuchte nachzufühlen, was tatsächlich in Geist vorging, welche Qualen sie litt. Alberich aber war ein Mann der Tat, und für ihn zählte im Augenblick nur die Vertreibung der Nordlinge. »Heißt das«, fragte er unwirsch, »solange kein Grünzeug in der Nähe ist, kannst du nichts tun, als dich von Löwenzahn auf den Schultern herumtragen zu lassen?«
    »Alberich!« zischte Mütterchen warnend. Auch Löwenzahn starrte den Zwerg zornig an und wollte gerade etwas sagen, als Geist ihm zuvorkam:
    »Das heißt es, ja. Ich bin für euch ohne jeden Nutzen.«
    »Ohne Nutzen?« wiederholte Mütterchen fassungslos. »Mein Gott, Kindchen, wir sind Freunde! Seit wann wird sowas an Nutzen gemessen?«
    Geist hob die Schultern. »Weiß nicht. Ich hatte noch nie Freunde.« Bis vor zwei Jahren hatte sie völlig vereinsamt im Wald gehaust, und jeder der drei anderen wußte das. Sogar Alberichs Gesichtsausdruck wurde plötzlich weich und milde, und er trat auf das Moosfräulein zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: »Verzeih mir. Ich war aufgeregt. Wir werden bald gegen einen Feind antreten, der vor zweihundert Jahren mein ganzes Volk unterworfen hat. Meine Worte waren unbesonnen.«
    »Allerdings«, rügte Mütterchen ihn scharf. Zu Geist sagte sie sanfter: »Wir werden es auch ohne deine Kräfte schaffen, verlaß dich darauf. Nicht wahr, Löwenzahn?«
    Der Halbhunne grinste schief. »Aber sicher.«
    »Dann laßt uns gehen«, entschied Mütterchen. »Willst du lieber hierbleiben, Kindchen?«
    Geist schüttelte vehement den Kopf. »Ich komme mit. Ich will bei euch sein.«
    Damit war ihr Vorgehen beschlossene Sache. Ohne länger zu zögern, schlichen sie über die leere Stollenkreuzung und durch das Tor der Halle. Der Lärm war gedämpfter geworden, und bald erkannten sie auch den Grund.
    Am entgegengesetzten Ende der Halle klaffte eine Öffnung in der Wand, grob aus dem Fels geschlagen, mit gezackten Rändern wie gewaltige Kiefer. Gerade noch sahen die Gefährten in diesem Schlund einen der Minenbohrer verschwinden, geschoben von einem halben Dutzend Zwerge. Wachen gab es keine in der Halle, offenbar setzten die Nordlinge jeden ihrer Lakaien für die Grabungsarbeiten ein. Das Knirschen der Räder wurde leise, dann hatte der abschüssige Stollen jenseits der

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