Nicht so stuermisch Hannah
es war jetzt sauber.
Wo bleibt Tammy nur? Überlegte sie.
Hannah schaute aus dem Fenster. Ihre Haut brannte von all dem Staub und Schmutz.
Sie ging in den vorderen Teil des Hauses zur Treppe und suchte das Badezimmer.
Irgendwie war ihr noch im Gedächtnis, dass es unten keines gab.
Als sie den Flur im ersten Stock betrat, verlor sie beinahe die Fassung beim Anblick der drei offenen Schlafzimmertüren. Erinnerungen überwältigten sie.
Plötzlich hörte sie das Lachen eines kleinen Mädchens, wie es in dem stillen Haus widerhallte. Glückliches Kindergeschrei umgab sie. Und wie aus Geistermund ertönte Gekicher aus dem Elternschlafzimmer zu dem Raum hinüber, den Hannah als ihren eigenen wieder erkannte.
Dieses Erlebnis erschreckte Hannah keineswegs. Ihr war klar, was sie hörte, waren Geräusche, die sie sich nur einbildete. Erinnerungen aus glücklichen Tagen mit ihrem Vater, als sie noch ein kleines Mädchen war.
Unvergessen waren sie ihr geblieben, diese zauberhaften Momente mit der Person, die sie mehr geliebt hatte als alle anderen.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, stieß sie die Tür zum Elternschlafzimmer ganz auf.
Sie trat ein und machte ein paar zögernde Schritte vorwärts.
Noch immer stand dasselbe schmiedeeiserne Bett an der einen Wand des überfüllten Raums, während sich an der ge genüberliegenden Wand die schwere Ankleidekommode aus Walnuss- : holz befand.
Hannah musste lächeln, als sie daran dachte, wie fröhlich ihr Vater damals lachte, wenn sie auf dem Bett herumsprang, dass die Federn quietschten. Aber sobald die Schritte ihrer Mutter auf der Treppe zu hören waren, verscheuchte er sie von der Matratze und schickte sie aus seinem Zimmer in ihr eigenes zurück,
wo er die Decke um sie schmiegte und ihr ein Schlaflied sang.
„O Daddy!" Kaum hörbar brachte Hannah diese Worte hervor. Heiße Tränen brannten in ihren Augen und verschleierten ihren Blick. Warum hatte er sie nicht bei sich behalten?
Warum hatte er sie mit ihrer Mutter gehen lassen, obwohl sie doch so glücklich war bei ihm?
Als Hannah sich in Gedanken verloren eine lose Haarsträhne hinters Ohr steckte, weckte eine Bewegung ihre Aufmerksamkeit. Ein Blick nach links zeigte ihr Spiegelbild im Spiegel.
Was ist eigentlich mit mir los, schalt sie sich. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen von damals. Und auf ihre Fragen würde sie ohnehin keine Antworten mehr bekommen.
Diese Chance war mit dem Tod ihres Vaters begraben.
Mit beiden Händen wischte sie die Tränen fort. Sie musste den Kummer verdrängen.
Sicher kam Tammy bald nach Hause. Wie würde das arme Ding wohl reagieren, wenn sie eine in Tränen aufgelöste Frau in ihrem Haus fand?
„Wasch dich erst mal", befahl sie ihrem Spiegelbild mit bestimmter Stimme. „Du willst doch bereit sein, wenn deine Schwester kommt."
Sie ging ins Badezimmer hinüber und erfrischte Gesicht und Arme mit kaltem Wasser.
Auf einem Bord lag ein Waschlappen, mit dem sie sich Staub und Schweiß von der Haut wusch. Als sie den Waschlappen gerade wieder zum Trocknen aufhängen wollte, hörte sie die Fliegentür gehen und gleich darauf mit lautem Knall wieder zufallen.
Hannah trat auf den Flur und schlich leise zur Treppe, wo sie klopfenden Herzens mit einer Hand auf dem Pfosten des Geländers stehen blieb. Obwohl sie keine Ahnung hatte, was sie wegen der geistigen Behinderung ihrer Schwester erwartete, war sie unheimlich gespannt, Tammy wieder zu sehen.
Ein Gefühl der Angst stieg in ihr auf. Wie sollte sie reagieren, wenn Tammy sie nicht mochte?
Hör auf, ermahnte sie sich, sie wird dich mögen. Sie ist deine Schwester.
Auf einmal machte noch ein Gedanke ihr große Angst: Zweifellos musste Tammy sich erschrecken, wenn sie eine vollkommen Fremde in ihrem Haus vorfand.
So leise wie möglich schlich Hannah die Treppe hinunter. Sie hörte ihre Schwester in der Küche herumgehen. Auf einmal begann Tammy zu singen. Sie hatte eine helle, klare Stimme, die
Hannahs Herz mit Freude erfüllte. In der Mitte des Wohnzimmers blieb sie stehen und lauschte.
Hannah erkannte die Melodie wieder. Es war ein altes Kirchenlied.
Ein Lächeln umspielte Hannahs Mund, gleichzeitig kämpfte sie mit ihrer Unentschlossenheit. Sie wollte ihre Schwester unterbrechen, wollte aber auch bleiben, wo sie war, und dem wundervollen Gesang zuhören. Nach kurzer Zeit siegte dann aber doch ihr Verlangen, Tammy zu begrüßen.
„Tammy?" sagte sie leise und betrat zögernd die Küche.
Die junge Frau vor dem
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