Nicht so stuermisch Hannah
ermahnte sie sich scharf. Hör auf zu glauben, du müsstest dich für andere entschuldigen. Und schon gar nicht Adam Roth gegenüber.
„Sehen Sie", begann Hannah, während sie versuchte, bestimmt, aber nicht übermäßig scharf zu antworten. „Ich bin hier, um mich um alles zu kümmern. Jetzt bin ich für Tammy da. Und ich habe einen vernünftigen Plan. Vielen Dank für Ihre Hilfe, aber meine Schwester wird sie nicht länger benötigen." Sie wusste, ihr liebenswürdiges Lächeln wirkte ziemlich gekünstelt. „Das heißt selbstverständlich, dann, wenn Sie mit dem Reparieren des Daches fertig sind."
Adam warf Hannah einen vernichtenden Blick zu. „Die undichte Stelle ist repariert."
„Gut." Hannah lächelte noch freundlicher. „Dann können Sie mir die Rechnung gern zuschicken. Sie muss aber direkt an mich gehen. Ich glaube nicht, dass ich mich lange in Little Haven aufhalten werde." Mit diesen Worten hoffte sie, ihn zu entlassen.
„So leicht werden Sie mich nicht los", entgegnete Adam. „Die Menschen in dieser Stadt werden nicht zulassen, dass Sie nach Little Haven kommen und Tammys Welt aus den Angeln heben. Bitte gehen Sie sehr vorsichtig vor. Sie versetzen das Kind sonst in Panik."
Er drehte sich auf dem Absatz um und stapfte durch das hohe Gras davon.
Hannah hätte ihn zurückrufen können. Sie hätte ihm sagen können, sie brauche seine Ermahnungen nicht und er habe hier ohnehin keine Rechte. Aber sie unterließ es. Sie war nur froh, Adam Roth nicht mehr zu sehen.
Adam löste seinen Arbeitsgürtel, warf ihn auf den abgenutzten Sitz seines alten, verbeulten Pick-Ups und glitt hinter das Steuer. Er kochte vor Wut. Er fühlte sich wie ein Grizzlybär,
den man gereizt hatte.
Endlich hatte Bobby Kays Familie auf die Briefe reagiert, die sie ihr geschickt hatten.
Und Hannah Cavanaugh war in die Stadt gekommen...
Trotz seines Zorns stand ihm Hannahs Anblick lebhaft vor Augen. Er hatte auf dem Dach gestanden, als seine Aufmerksamkeit von einem Geräusch unten im Garten abgelenkt wurde. Auf den ersten Blick hatte er die Frau mit Tammy verwechselt. Er hatte jedoch schnell erkannt, dass er sich getäuscht hatte.
Für den Rest seines Lebens würde ihm das Bild von Hannah Cavanaugh auf dem Rasen hinter dem Haus unvergessen bleiben. Wie zauberhaft ihr kupferrotes Haar in der Mittagssonne glänzte. Das himmelblaue Kleid passte gut zu ihrer milchig weißen Haut und betonte ihre schlanke Figur Die Schuhe mit den hohen Absätzen brachten die wohl geformten Beine hervorragend zur Geltung. Wirklich, ein umwerfender Anblick.
Dennoch, die Tatsache, dass sie eine tolle Frau war, machte die Angelegenheit nicht weniger verwirrend.
Er konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich beabsichtigte, einfach so in Little Haven aufzutauchen und Tammys Existenzaufs Spiel zu setzen. Zugegeben, Tammy war kein Kind. Jedenfalls nicht nach dem Gesetz. Sie war eine Frau von vierund zwanzig Jahren.
Das bewies nicht zuletzt ihre Figur. Aber imGeist war sie jung und kindlich. Extrem naiv.
Sie brauchte Schutz.
Hannah Cavanaugh hatte gesagt, ihre Schwester sei nicht „wie die anderen", und das war eine passende Bezeichnung für Tammy. Man würde es Adam niemals verzeihen, wenn er zuließe, dass Bobby Rays älteste Tochter oder seine Exfrau dieses junge Wesen verletzten.
Er hatte Bobby Ray ein Versprechen ge geben, und das wollte er halten.
Adam sah jetzt, dass Kampf angesagt war. Er hatte keine legalen Rechte. Hank hatte ihn gewarnt. Mehrmals. Aber Adam hatte sich davon nicht abschrecken lassen. Er hatte Bobby Ray sein Wort gegeben. Und Adam war der Meinung, ein Mann wäre nur so gut wie sein Wort und sein Ruf.
Während er die holprige Straße entlangfuhr, die ihn zur Hauptstraße brachte, waren seine Gedanken wieder bei Hannah Cavanaugh. Er war dieser Frau zwar nie zuvor begegnet, aber dennoch durchschaute er sie sofort. Er kannte viele Frauen dieser Art. Das sind diese überheblichen Feministinnen, erinnerte
er sich, die ständig erpicht darauf sind, alle Situationen zu regeln, und sich nicht einmal die Zeit lassen hinzuschauen, ob es überhaupt etwas zu regeln gibt.
Adam hatte mehr als genug dieser tyrannischen und egoistischen Frauen im College und später während seiner politischen Karriere in Philadelphia kennen gelernt. Ja, er war sogar einmal mit einer von ihnen verheiratet gewesen. Sie glücklich zu ma chen, war ein unmögliches Unterfangen. Das hatte er bald ge merkt. Manche Frauen waren so vom Erfolg und ihrem Beruf
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