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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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stehen.
    »Wißt ihr was, Kinder, ich glaube, wir gehen nicht weiter,« sagte sie. »Ich habe bisher nicht daran gedacht, aber der Vorsteher
     ist vielleicht so krank, daß wir ihn durch unsern Gesang stören könnten. Es wäre ja schrecklich, wenn wir ihn noch kränker
     machten.«
    Der kleine Niels Holgersen war die ganze Zeit mit dabei gewesen und hatte alles gehört, was die Lehrerin erzählte. Er wußte
     also, daß sie ausgegangen waren, um jemand, der da drüben in der Villa krank lag, etwas vorzusingen, und er begriff jetzt,
     daß aus dem Gesang nichts werden würde, weil sie fürchteten, den Kranken zu stören und zu beunruhigen.
    »Es ist doch schade, daß sie wieder von dannen gehen, ohne zu singen,« dachte er. »Es wäre ja die leichtesteSache von der Welt, zu erfahren, ob der Kranke wirklich zu schwach ist, um ein wenig Gesang hören zu können. Warum geht die
     Lehrerin nicht nach der Villa und erkundigt sich?«
    Aber auf diesen Gedanken schien die Lehrerin gar nicht zu kommen; sie kehrte im Gegenteil um und ging schweigend heimwärts.
     Die Schulkinder erhoben ein paar Einwendungen, aber sie brachte sie zum Schweigen. »Nein, nein,« sagte sie. »Es war dumm von
     mir, daß ich hierher gehen und singen wollte, jetzt, wo es schon dunkel geworden ist. Wir könnten leicht stören.«
    Da meinte Niels Holgersen, wenn kein anderer es tun wollte, so müßte er zu erfahren suchen, ob der Kranke wirklich zu schwach
     war, um ein wenig Gesang zu hören. Er entfernte sich von den andern und lief nach dem Hause hinüber. Vor der Villa hielt ein
     Wagen, und neben den Pferden stand ein alter Kutscher und wartete. Der Knabe war kaum bis an den Eingang des Hauses gelangt,
     als die Tür aufging und ein Mädchen mit einem Teebrett heraustrat. »Sie werden wohl noch ein wenig auf den Herrn Doktor warten
     müssen, Larsson,« sagte sie. »Da hat mir die gnädige Frau gesagt, ich sollte Ihnen etwas Warmes bringen.«
    »Wie geht es denn dem Herrn?« fragte der Kutscher.
    »Er hat keine Schmerzen mehr, aber es ist, als wenn das Herz still steht. Der Herr Vorsteher hat schon eine ganze Stunde dagelegen,
     ohne sich zu rühren. Wir wissen kaum, ob er noch lebt oder schon tot ist?«
    »Hat der Doktor gesagt, daß da keine Hoffnung mehr ist?«
    »Man muß auf alles gefaßt sein, Larsson, ja, manmuß auf alles gefaßt sein. Es ist, als lausche der Herr Vorsteher nach etwas. Wenn ein Ruf an ihn von oben kommt, so ist
     er bereit.«
    Niels Holgersen lief schnell den Weg entlang, um die Lehrerin und die Kinder einzuholen. Er dachte daran, wie es gewesen war,
     als sein Großvater starb. Der war Seemann gewesen, und als er in den letzten Zügen lag, hatte er gebeten, man möchte das Fenster
     öffnen, damit er noch einmal den Wind brausen höre. Und wenn nun der Kranke hier es so über alles geliebt hatte, von Jugend
     umgeben zu sein, und ihren Liedern und Spielen zuzuhören ...?
    Die Lehrerin ging unschlüssig die Allee hinab. Jetzt, wo sie sich von Nääs entfernte, empfand sie ein Verlangen, umzukehren,
     und als sie vorhin auf dem Wege dahin gewesen, war sie auch kurz davor gewesen, wieder umzukehren. Sie war noch immer gleich
     unschlüssig und unsicher.
    Sie sprach nicht mehr mit den Kindern, sondern ging ganz stumm dahin. In der Allee, durch die sie ging, war der Schatten so
     tief, daß sie nichts sehen konnte. Es war ihr, höre sie eine Menge Menschen und Stimmen um sich her. Es war ihr, als erklängen
     angstvolle Rufe von tausend verschiedenen Seiten. »Wir sind soweit weg, alle wir andern!« sagten die Stimmen. »Aber du bist
     ganz nahe. Geh' hin und singe du, was wir alle fühlen.«
    Und sie dachte an den einen und den andern, dem der Vorsteher geholfen und dessen er sich angenommen hatte. Es war übermenschlich,
     wie er sich angestrengt hatte, allen, die in Not waren, zu helfen. »Geh' hin und singe ihm etwas vor!« flüsterte es ringsum
     sie her. »Laß ihn nichtsterben, ohne einen letzten Gruß von seiner Schule zu empfangen! Denk' nicht daran, daß du gering und unbedeutend bist! Denk'
     an die große Schar, die hinter dir steht! Laß ihn, ehe er von uns geht, verstehen, wie innig wir alle ihn lieben!«
    Die Lehrerin ging immer langsamer. Da hörte sie etwas, was nicht nur Stimmen und mahnende Rufe in ihrer eigenen Seele war,
     sondern was aus der äußeren Welt um sie herkam. Es war keine gewöhnliche menschliche Stimme. Es war wie das Zwitschern eines
     Vogels oder das Zirpen eines Heimchens. Aber es rief

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