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Nora Morgenroth: Der Hüter

Nora Morgenroth: Der Hüter

Titel: Nora Morgenroth: Der Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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sollte. Sie kannte die Gründe, warum ich das Bett nicht behalten wollte oder eher gesagt die offizielle Version der Ereignisse. Sie war es gewesen, die Oliver auf die Spur zu Thönges geführt hatte. Natürlich wusste sie nichts von meinen Visionen. Sie und alle anderen aus unserem weiteren Umfeld wussten nur, dass der Waldmörder, wie die Medien ihn reißerisch getauft hatten, mich mehrere Tage festgehalten hatte. Sechs Tage waren es genau genommen gewesen, die er mir gestohlen hatte, aber im Vergleich zu den anderen war ich noch glimpflich davon gekommen.
     
    Als ich an jenem verhängnisvollen 13. Mai abends nicht nach Hause gekommen war, hatte Oliver alle unsere Freunde und Bekannten antelefoniert. Mein Wagen war unauffindbar gewesen und das Handy nicht zu orten – wie sich später herausstellte, war der Akku bereits leer gewesen, als ich in den Vallauer Forst gefahren war – und ich war einfach wie vom Erdboden verschluckt gewesen.
    Nach zwei Tagen waren sie mit der Suchmeldung an die Öffentlichkeit gegangen, doch wie der Zufall es gewollt hatte, war der Fernseher der unfreundlichen, dicken Kittelschürzenfrau just zu jener Zeit kaputt gegangen. Sie las keine Zeitung, so behauptete sie jedenfalls später, als man in Düssen von Haus zu Haus ging und alle Anwohner befragte. Nur für den Fall, dass eine der anderen vermissten Frauen in dem Ort gesehen worden war. Sie hatten nämlich noch längst nicht alle Leichen gefunden, die in Thönges‘ Gegend vermutet wurden. Aber zu dieser Zeit war ich schon frei gewesen. Ich persönlich vermutete, dass die Kittelschürze einfach keine Lust gehabt hatte, etwas zu sagen. Ich hatte ihr missfallen. Punkt. Rumms, Tür zu.
    Schließlich war am sechsten Tag meines Verschwindens alles nahezu gleichzeitig passiert. Bei uns drinnen und bei denen dort draußen.
    Einen Tag zuvor hatte Oliver endlich den Karton mit der Waschschüssel gefunden, die ich bei Uta Simoni gekauft hatte. Er fand ihn in der Abstellkammer, als er voller Verzweiflung unser ganzes Haus auf den Kopf stellte. So kam er auf Simonis Antik & Trödelladen. An einer Seite des Kartons hatte nämlich ein Etikett mit der Adresse geklebt. Es war eine unwahrscheinliche Spur gewesen, eine von vielen, aber Oliver war ihr dennoch nachgegangen.
    Wie es das Schicksal wollte, hatte Uta Simoni sich wegen einer medizinischen Untersuchung im Krankenhaus befunden und war für weitere vierundzwanzig Stunden nicht erreichbar gewesen. Am sechsten Tag dann endlich, als Oliver die Inhaberin des Trödelladens im Morgengrauen telefonisch erreicht hatte, brachte sie ihn auf die Spur nach Düssen.
    D as ganze Polizeikommando war ausgerückt und so kam es, dass Marita und ich, als wir in wilder Flucht durch das Unterholz hetzten, der maskierten und bis unter die Zähne bewaffneten Spezialeinheit direkt in die Arme liefen. Halbnackt und schmutzig und von oben bis unten mit tiefen Kratzwunden überzogen, fielen wir ihnen vor die Füße.
    Während wir in die bereitgestellten Sanitätswagen gebracht w orden waren, hatte das Kommando Haus und Ställe gestürmt. Als Thönges an einem der Fenster des Obergeschosses erschienen war, blutverschmiert und mit erhobener Flinte auf die anrückenden Beamten feuerte, da hatten sie ihn niedergestreckt. Thönges starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.
    Oliver war in den ersten Tagen rund um die Uhr bei mir gewesen. Natürlich kamen dann auch Mutter und Hedda und halfen mir dabei, der Angst keinen Raum mehr zu geben in meinem Leben. Ich wusste aber, dass es noch ein weiter Weg sein würde zurück in mein altes, sicheres Leben.
    Marita und ich hatten uns noch nicht wieder gesehen. Ihre Ärzte rieten davon ab, vorerst noch. Maritas seelischer Zustand war labil. Aber Oliver hatte einige Male mit Markus telefoniert, ihrem Mann. Wir würden uns sicher bald sehen. Wenn die Zeit dafür reif war. Ich dachte jeden Tag an sie.
     
    Trotz allem hatten wir noch einmal Glück gehabt und waren in Sicherheit, im Gegensatz zu den anderen Opfern: Zwei Gräber hatte die Polizei inzwischen gefunden. In dem einen lag Rudolf Thönges, in dem anderen eine der vermissten Frauen. Der alte Thönges war vor etwa einem halben Jahr gestorben. Auf den Tag genau ließ sich das natürlich nicht mehr feststellen. Die Spezialisten arbeiteten immer noch daran, die Todesursache festzustellen. Vermutlich war er sogar eines natürlichen Todes gestorben.
    Der Sohn hatte ihn hinter dem Kaninchenstall verscharrt. Die erste getötete Frau fanden

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