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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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kleinsten Partikelchen und Staubkörnchen aufzusammeln, die möglicherweise irgendwelche Hinweise geben könnten. Sie suchten nach Fingerabdrücken und Dreck von Schuhen, der nicht in dieses Haus gehörte. Sie suchte n n ach etwas, das von außen kam. Und Vernichtung hinterlassen hatte.
    Erlendur konnte nicht sehen, dass der Mann seinen Besucher mit besonderer Gastfreundlichkeit empfangen hätte. Er hatte keinen Kaffee gemacht. Die Kaffeemaschine in der Küche schien in den letzten Stunden nicht benutzt worden zu sein. Es gab auch keine Anzeichen, dass Tee getrunken worden wäre, und im Schrank fehlten keine Tassen. Gläser standen unangerührt an Ort und Stelle. Der Ermordete war ein ordnungsliebender Mensch gewesen. Hier war alles akkurat und aufgeräumt. Vielleicht hatte er den Eindringling nicht gut gekannt. Vielleicht hatte der Besucher ihn ohne Umschweife angegriffen, direkt nachdem ihm die Tür geöffnet wurde. Ohne die Schuhe auszuziehen.
    Begeht man auf Socken einen Mord?
    Erlendur blickte sich um und dachte bei sich, dass er versuchen sollte, seine Gedanken etwas besser auf die Reihe zu kriegen.
    Jedenfalls hatte der Besucher es eilig gehabt. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Tür hinter sich zu schließen. Auch der Angriff selbst zeugte von Eile, als sei er urplötzlich und ohne Vorwarnung erfolgt. Es gab keinerlei Anzeichen für einen Kampf. Der Mann schien direkt zu Boden gegangen zu sein, war dabei an den Tisch gestoßen und hatte ihn umgeworfen. Auf den ersten Blick war nichts anderes in der Wohnung angerührt worden. Erlendur konnte nicht feststellen, dass irgendetwas gestohlen worden wäre. Alle Schränke waren sorgfältig verschlossen, die Schubladen ebenso, ein ziemlich neuer Computer und eine alte Stereoanlage waren an ihrem Platz, die Brieftasche des Mannes befand sich in der Jacke am Haken im Flur, mit einem Zweitausendkronenschein und zwei Karten, Scheckkarte und Kreditkarte.
    Es hatte den Anschein, als hätte der Angreifer den nächstbesten Gegenstand gepackt und ihn dem Mann an den Kopf geschleudert. Der Aschenbecher war aus dickem, grünlichem Glas und wog nach Einschätzung von Erlendur nicht unter anderthalb Kilo. Eine Mordwaffe für den, der es darauf abgesehen hatte. Der Angreifer hatte ihn wohl kaum mitgebracht, um ihn dann blutbeschmiert auf dem Fußboden liegen zu lassen.
    Das waren die offen zu Tage liegenden Indizien: Der Mann hatte die Tür geöffnet und den Besucher hereingebeten oder war zumindest mit ihm ins Wohnzimmer gegangen. Wahrscheinlich hatte er seinen Gast gekannt, aber das musste nicht sein. Er wurde mit dem Aschenbecher attackiert, ein schwerer Hieb, und dann war der Angreifer hinausgeeilt und hatte die Tür hinter sich offen gelassen. Klarer Fall.
    Bis auf die Mitteilung.
    Sie war auf ein liniertes DIN-A4-Blatt geschrieben, das aus einem Spiralheft herausgerissen zu sein schien. Der einzige Hinweis darauf, dass das Verbrechen geplant gewesen war; daraus war zu schließen, dass der Besucher eigens zu dem Zweck gekommen war, den Mann zu töten. Der Besucher hatte nicht etwa einen plötzlichen Anfall von Mordlust bekommen, als er im Wohnzimmer stand. Er war mit dem festen Vorsatz, einen Mord zu begehen, in das Haus gekommen. Er hatte eine Nachricht hinterlassen. Drei Worte, auf die sich Erlendur keinen Reim machen konnte. Hatte er diese Worte auf das Blatt geschrieben, bevor er das Haus betrat? Eine weitere relevante Frage, die beantwortet werden wollte. Erlendur ging in die Ecke, wo der Schreibtisch des Mannes stand. Auf dem Schreibtisch lagen ein Haufen Papiere, Rechnungen, Umschläge, Zeitungen. Ganz zuoberst ein Spiralheft. Er suchte nach einem Bleistift, sah aber keinen auf dem Tisch. Er schaute genauer nach und fand einen unter dem Schreibtisch. Er fasste nichts an. Schaute nur und dachte nach.
    »Ist das nicht ein typisch isländischer Mord?«, fragte Sigurður Óli, der in die Souterrainwohnung hereingekommen war, ohne dass Erlendur es bemerkt hatte. Er stand neben der Leiche.
    »Was?«, fragte Erlendur gedankenverloren.
    »Schlampig, sinnlos – und ausgeführt ohne den geringsten Versuch, etwas zu kaschieren, die Tatumstände zu verschleiern oder Beweismaterial zu vernichten.«
    »Ja«, sagte Erlendur. »Ein schäbiger isländischer Mord.«
    »Es sei denn, er wäre auf den Tisch gefallen und mit dem Kopf auf dem Aschenbecher gelandet«, sagte Sigurður Óli. Elinborg war mit ihm hereingekommen. Erlendur hatte versucht, die Geschäftigkeit der

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