Nubila 02: Aufstand der Diener
Training nahm Kathleen gerne wahr, aber der Unterricht war für sie eigentlich unnötig. Sie hatte ein gutes Allgemeinwissen und obwohl Thabea älter war als sie selber, gab es nicht wirklich viel, was sie ihr noch beibringen konnte.
„Gut siehst du aus“, stellte Alexander anerkennend fest, als Kathleen sich wieder einmal in der Nähe der Käfige aufhielt und die Neulinge beobachtete. Die Wildheit dieser Neuen faszinierte sie und es fiel ihr schwer zu glauben, dass Jason sie nicht verstoßen hatte, als sie selber in diesem Stadium gewesen war.
„Danke schön“, sagte Kathleen und sah an sich herunter. Thabea hatte ihr eine Jeans und ein T-Shirt gegeben. Es handelte sich um Designerkleidung, was Kathleen zu der Annahme verleitete, dass die Diener sie von den Herren geklaut hatten. Nach Wochen, die sie nur in Lumpen zubringen musste, wäre sie eigentlich schon zufrieden damit gewesen, mal wieder etwas tragen zu dürfen, das zumindest einigermaßen gut aussah, und diese tolle Kleidung zu tragen, war für sie demnach ein absoluter Luxus.
„Und? Wie gefällt dir das Lager?“, fragte Alexander.
„Es ist wunderbar hier“, sagte Kathleen ehrlich, wurde danach aber wieder nachdenklich.
„Was?“
„Es ist nur … es kann doch nicht ewig so weitergehen, oder? Ihr lebt hier auf einem winzigen Fleck Erde, zieht alle paar Tage um und müsst in ständiger Angst leben, von den Herren entdeckt zu werden.“
„Sie sind nicht mehr unsere Herren, Kathleen. Sie sind einfach nur die Träger des Gifts. Sie haben uns nichts voraus.“
Skeptisch betrachtete Kathleen die Vampire aus der Fabrik, die ein paar Meter weiter von Thabea lernten, wie das Alphabet ging.
„Sie werden lernen“, sagte Alexander stur.
„Glaubst du nicht, es wurde zu viel verpasst?“
„Ein Grund mehr für uns, diesen Wahnsinn zu beenden.“
„Wie meinst du das? Was habt ihr denn vor?“
„Wir wollen am liebsten die Fabriken zerstören, Kathleen. Wir wollen, dass es keine einzige Fabrik mehr auf der Welt gibt und dass wir frei leben können. Zusammen mit den Warmblütern. Sie sollen uns als gleichwertig anerkennen oder andernfalls unserer Säuberungswelle zum Opfer fallen.“
„Aber die Force …“
„Die Force kann uns nichts anhaben. Dank Gadha wissen wir immer, wo sie sind. Die einzige Möglichkeit, uns zu überlisten, wäre eine Schwachstelle von innen. Und das ist so gut wie unmöglich.“
„Warum? Woher willst du wissen, dass die Herren mich nicht geschickt haben?“
Alexander schnaubte belustigt.
„So wie du da gesessen bist?“, fragte er ungläubig. „Du wirktest nicht wie jemand, der einen Auftrag hat, sondern eher wie jemand, der glaubt, dass sein Leben bereits vorbei ist. Du warst doch vollkommen überrascht, als du uns gesehen hast.“
„Ich könnte ja auch eine gute Schauspielerin sein.“
„Nein, das glaube ich nicht“, sagte Alexander, während er sie eindringlich musterte. „Ich vertraue auf meine Menschenkenntnis.“
„Tja. Dann solltest du wirklich vorsichtig sein“, gab Kathleen zurück. „Ich bin nämlich kein Mensch.“
„Nein. Das stimmt“, bestätigte Alexander ein wenig traurig. „Das bist du nicht. Das sind wir alle nicht. Aber wir waren es einmal. Und wir müssen dafür sorgen, dass dieser Wahnsinn ein Ende hat. Die Menschen werden von den Trägern von vorne bis hinten ausgebeutet und das muss aufhören. Wenn die Menschen nicht dazu imstande sind, sich selber zu schützen, dann werden wir es halt für sie übernehmen müssen.“
Kathleen nickte betrübt. Alexander schien so optimistisch zu sein, aber es gab Dinge, die sie ihm einfach nicht erklären konnte. Wenn der Plan aufging, dann würden die Diener über die Herren siegen und Kathleen würde ihre Freiheit zurückbekommen. Aber was würde dann mit Jason und seiner Familie geschehen? Kathleen konnte zwar nicht behaupten, dass sie es genossen hatte ihnen zu dienen, aber sie wünschte ihnen ganz gewiss nicht den Tod. Besonders Jason und Laney nicht.
Aber wenn die Herren gewannen, dann war sie es wohl, die mit den anderen zusammen sterben würde. Wie man es auch drehte und wendete, das Ganze konnte eigentlich nur in einer Tragödie enden.
„Ich muss jetzt wieder zu den anderen“, sagte Alexander und wirkte, als würde er sie nur ungern verlassen. „Aber wenn du mit jemandem reden willst, dann bin ich für dich da.“
„Danke“, sagte Kathleen und lächelte leicht.
Als Alexander zwischen den Zelten verschwand, sah sie ihm noch
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