Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
zufällig die Adresse? Oder die Vornamen der Eltern, dann kann ich die Auskunft anrufen.«
Ein paar Sekunden lang stand sie schweigend da und dachte nach, bevor sie sagte:
»Hausbesuch. Wir machen Hausbesuche bei unseren Kindern, wenn sie neugeboren sind. Ich habe die Adresse bestimmt in meinem Kalender.«
Ihre Handtasche hing an einem Haken im Eingangsflur, und sie nahm sie herunter und suchte ihren Kalender heraus. Sandén schwitzte enorm, und er hatte das Gefühl, sich unbedingt setzen zu müssen, aber er konnte sich wohl kaum auf dem Flurboden niederlassen.
»Schauen wir mal … Mai, habe ich gesagt …«
Sie blätterte hastig in ihrem Kalender zurück, bis sie bei Ende Mai angekommen war, woraufhin sie sich mehr Zeit nahm, jede Seite gründlich zu mustern. Sandén stand dicht daneben und folgte ihrem Finger, der über die Seiten wanderte.
»Da ist es«, sagte sie schließlich und schaute zu ihm hinüber.
»Hausb. Lukas Hedberg, Plogg. 20«, las Sandén. »Sie waren uns eine unschätzbare Hilfe. Ich muss in der Wache anrufen.«
Er zog sein Telefon aus der Tasche, aber es gelang ihm nicht, seinen Blick auf die Tastatur zu fokussieren. Der Daumen bewegte sich über die Ziffern, ohne dass er sehen konnte, ob er auf der richtigen Taste war. Vier Mal konnte er drücken. Dann brach er auf dem Flurboden zusammen.
*
Hanna zeigte ihm den Weg zum Badezimmer. Die Badewanne war seit dem letzten Mal nicht geleert worden. Teddy zog den Stöpsel und ließ das kalte, trübe Wasser ablaufen, bevor er mit der Dusche die Ablagerungen an der Beckenwand entfernte. Dann füllte er die Wanne wieder mit sauberem, warmem Wasser.
»Sollen wir Badekugeln ins Wasser tun?«, schlug Hanna vor. »Das riecht so gut.«
»Klar«, sagte Teddy. »Wenn du es so magst.«
Hanna nahm ein paar Badekugeln mit unterschiedlichen Farben aus einer Kiste und verteilte sie im Wasser.
»Willst du jetzt deine Sachen ausziehen?«, sagte Teddy.
»Aber du wohl auch?«, sagte Hanna.
Teddy nickte und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Hanna hatte sich schon alle Sachen ausgezogen, bevor Teddy überhaupt mit seinem Hemd fertig war. Sie hopste zur Badewanne, kletterte über den Rand und setzte sich hinein.
»So einen hat Papa auch, obwohl er viel kleiner ist«, stellte Hanna fest, als Teddy sein eines Bein über den Badewannenrand hob.
Er schenkte ihr ein warmes Lächeln zur Antwort und ließ sich mit einem wohligen Seufzer ihr gegenüber ins Wasser sinken.
*
Barbro fand keine Ruhe. Die Situation war absurd. Entweder war in der Wohnung alles so, wie es sein sollte, und dann konnte sie hier genauso gut alles vergessen und nach Hause gehen und sich schlafen legen. Oder es lief etwas falsch, richtig falsch. Und was half es dann, wenn sie hier im Treppenhaus saß und vor sich hin in die Dunkelheit starrte? In den vergangenen Tagen hatte sie vieles richtig gemacht, aber das hier – das fühlte sich nur feige an. Sie sollte die Angelegenheit erhobenen Hauptes zu Ende bringen – das war doch wohl das Wichtigste? Was ihre Mitmenschen dachten, konnte ihr egal sein. Selbst wenn sie ein hysterisches Frauenzimmer war, das sich bis auf die Knochen blamierte, musste sie nicht dennoch ihrem Gewissen folgen und tun, was sie für richtig hielt?
Dort drinnen befand sich ein dreijähriges Kind, das erzählt hatte, dass es ganz allein zu Hause sei. Und jetzt war plötzlich ein erwachsener Mann bei ihr, und was musste der für eine seltsame Figur sein, dass er nicht einmal die Tür öffnete, wenn es klingelte? Der sie nicht einmal anbrüllte, dass sie mit ihrer Krakeelerei durch den Briefschlitz doch zur Hölle fahren solle, sondern nur schwieg oder sich irgendwo in der Wohnung einschloss. Das war nicht normal, ganz und gar nicht. Glaubte Hannas Vater vielleicht, das Barbro eine Verrückte war, die nur den Hausfrieden stören wollte, dann hätte er einfach die Polizei anrufen können. Worüber sie sich gefreut hätte. Aber er hatte es nicht getan – er weigerte sich, mit ihr zu kommunizieren, und zog sich mit dem kleinen Mädchen zurück.
Vielleicht passierte irgendetwas Schreckliches in dieser Wohnung? Was das sein könnte, wollte Barbro sich nicht vorstellen, aber hier war einiges nicht in Ordnung, das wurde immer offensichtlicher, je länger sie darüber nachdachte. Und was tat sie? Eine Ohrfeige hätte sie verdient. Steh auf, Barbro, und stell dich der Herausforderung. Sei nicht so ein Feigling, der nur danebensteht und guckt.
*
Das Fragment eines Gedankens flog
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