Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
real genug waren, um die Haut prickeln zu lassen. Er fügte immer genügend Wirklichkeit hinzu, um den Horror alltäglich und nur zu glaubhaft zu machen. Aus den dunklen Winkeln seiner Arbeit lugte eine Kreatur, und diese Kreatur war die tief verborgene Angst eines jeden Menschen. Hunter fand sie immer. Und dann, Millimeter um Millimeter, führte er den Leser in diesen Winkel hinein.
Halb vergessen schwelte die Zigarette in dem überquellenden Aschenbecher neben seinem Ellenbogen. Er rauchte zu viel. Dies war vielleicht das einzige äußere Zeichen des Drucks, den er sich selbst auferlegte und den er sich von sonst niemandem hätte aufbürden lassen. Er wollte sein Buch bis zum Ende des Monats fertig haben, einem von ihm selbst gesetzten Termin. Er hatte einem sehr seltenen Impuls nachgegeben und zugesagt, auf einer Schriftstellertagung in Flagstaff in der ersten Juniwoche zu reden.
Es geschah nicht häufig, dass er Auftritten zustimmte, und wenn, dann handelte es sich nie um große, von der Öffentlichkeit beachtete Gelegenheiten. Diese Konferenz versammelte nicht mehr als zweihundert publizierende und angehende Schriftsteller. Er würde seine Rede halten, Fragen beantworten und wieder nach Hause fahren. Ein Honorar gab es nicht.
Allein in diesem Jahr hatte Hunter ohne Begründung Angebote von einem der angesehensten Organisatoren im Verlagswesen abgelehnt. Ansehen interessierte ihn nicht. Andererseits hielt er es für seine Pflicht, Beiträge an die Schriftstellervereinigung von Arizona abzuführen. Hunter hatte schon immer verstanden, dass nichts umsonst war.
Es war später Nachmittag, als der Hund, der zu seinen Füßen lag, den Kopf hob. Das Tier war schlank, mit schimmerndem grauen Fell und den schmalen, klugen Augen eines Wolfs.
„Ist es Zeit, Santanas?“ Hunter streichelte den Kopf des Hundes. Zufrieden und entschlossen, abends noch weiterzuarbeiten, schaltete er den Computer aus.
Hunter trat aus dem Chaos seines Arbeitszimmers in das aufgeräumte Wohnzimmer mit seinen großen Butzenscheibenfenstern und der hohen Decke. Es roch nach Vanille und Blumen.
Er stieß die Tür zur gepflasterten Terrasse auf und blickte hinüber zum dichten, das Haus umschließenden Wald. Der Wald schloss ihn ein und andere aus. Hunter hatte nie überlegt, was für ihn wichtiger war. Er brauchte die Abgeschiedenheit. Er brauchte den Frieden, das Geheimnis und die Schönheit, wie er auch die tief roten Wände des Canyons brauchte, die sich jenseits der Bäume majestätisch erhoben. Durch die Stille hörte er das Plätschern des Bachs und roch die schwere Frische der Luft. Das nahm er nie für selbstverständlich, denn er hatte es nicht immer gehabt.
Dann sah er sie, sie tänzelte den sich windenden Pfad entlang, der zum Haus führte. Der Schwanz des Hundes begann, wild hin und her zu schlagen.
Manchmal, wenn er sie so beobachtete, dachte Hunter, es sei unmöglich, dass ein so reizendes Wesen zu ihm gehörte. Sie war dunkel und zierlich und bewegte sich mit einer unbekümmerten Grazie. Es war Sarah. Seine Arbeit und sein Privatleben, das waren die zwei entscheidenden Dinge in seinem Leben. Sarah war sein Leben.
Als sie ihn sah, strahlte ein Lächeln auf ihrem Gesicht und ließ die Zahnspange aufblitzen. „Hi, Dad!“
1. KAPITEL
D ie Woche, bevor ein Magazin wie CELEBRITY in Druck ging, herrschte äußerstes Chaos. Die Führungsetagen aller Redaktionen waren in wilder Aufregung. Schreibtische waren überhäuft, Telefonleitungen besetzt, die Mittagspausen wurden ausgelassen. Eine Spur von Panik lag in der Luft und dies steigerte sich von Stunde zu Stunde. Die Stimmung war gereizt und in manchen Befehlen schwang die Nervosität mit. Bis spätabends brannten in den Büros die Lichter. Das reiche Aroma von Kaffee und beißender Tabakrauch lagen immer in der Luft. Röhrchen von Magentabletten wurden geleert, und Fläschchen mit Augentropfen wanderten von Hand zu Hand. Nach fünf Jahren war die monatliche Torschlusspanik für Lee selbstverständlich geworden.
CELEBRITY war eine elegante, angesehene und auflagenschwere Zeitschrift. Neben Geschichten über die Reichen und Berühmten wurden Artikel von bekannten Psychologen und Journalisten gedruckt, ebenso Interviews mit Politikern und Rockstars. CELEBRITY-Fotografien waren erstklassig, die Textbeiträge gründlich recherchiert und prägnant geschrieben. Ein Lästerer hatte sie als Qualitäts-Tratsch einstufen können – die Betonung der Qualität vergaß aber auch der
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