Nur für einen Sommer: Sommerträume (German Edition)
sie an einen der Tresen.
„Ich brauche einen Wagen, um in die Stadt zu kommen.“
Der Mann in Hemdsärmeln und gelockerter Krawatte hörte auf, Knöpfe seines Computers zu drücken. Sein berufsmäßig höflicher Blick wurde intensiver, als er Lee ansah. Sie erinnerte ihn an eine Kamee, die seine Großmutter zu besonderen Gelegenheiten am Hals getragen hatte. Automatisch straffte er die Schultern.
„Wollen Sie einen Wagen mieten?“
Lee überlegte einen Moment und lehnte es dann ab. Sie war nicht wegen touristischer Ausflüge gekommen, also lohnte sich ein Wagen nicht. „Nein, ich will nur nach Flagstaff.“ Sie nannte ihm den Namen ihres Hotels. „Haben die einen Hotelwagen?“
„Bestimmt. Rufen Sie einfach von dem Telefon dort drüben an, und die werden jemanden schicken.“
„Danke.“
Interessiert sah er ihr nach.
Als sie den Raum durchquerte, fing Lee den Duft von gegrillten Würstchen auf. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, da sie das zweifelhafte Essen während des Flugs zurückgewiesen hatte. Schnell wählte sie die Nummer des Hotels, nannte ihren Namen und erhielt die Zusicherung, innerhalb von zwanzig Minuten einen Wagen zu haben. Zufrieden kaufte sie sich ein Würstchen und nahm auf einem der schwarzen Plastikstühle Platz.
Sie würde erreichen, weshalb sie hierher gekommen war, redete sich Lee energisch ein, während sie hinüber zu den fernen Bergen blickte. Die Zeit hier würde nicht vertan sein. Nach drei frustrierenden Monaten würde sie nun endlich einen direkten Blick auf Hunter Brown werfen können.
Sie brauchte nichts weiter als eine Stunde mit ihm. Sechzig Minuten. In dieser Zeit konnte sie genügend Informationen für einen prägnanten und sehr exklusiven Artikel aus ihm herauslocken. Genau das war ihr auch mit dem diesjährigen Oscarpreisträger gelungen, obwohl der sich widerstrebend, fast feindselig gezeigt hatte. Hunter Brown würde wahrscheinlich auch beides sein. Das steigerte nur noch den Reiz der Aufgabe. Hätte sie ein einfaches überschaubares Leben gewollt, dann hätte sie sich dem Druck ihrer Eltern gebeugt und Jonathan geheiratet. In dem Fall würde sie in diesem Moment wahrscheinlich ihre nächste Gartenparty planen, statt sich zu überlegen, wie sie einen preisgekrönten, publikumsscheuen Schriftsteller überlisten könnte.
Lee hätte fast laut aufgelacht: Gartenpartys, Bridgepartys undder Yachtclub. Das mochte perfekt sein für ihre Familie, aber sie selbst wollte mehr. Mehr was? Das hatte ihre Mutter sie gefragt, und Lee hatte nur antworten können: einfach mehr.
Nach einem Blick auf ihre Uhr ließ sie ihr Gepäck neben dem Stuhl stehen und ging hinüber in den Waschraum für Damen.
Die Tür war kaum hinter Lee geschlossen, als das Objekt all ihrer Pläne in die Eingangshalle schlenderte.
Er tat nicht oft gute Taten und dann nur für Menschen, für die er eine echte Zuneigung empfand. Da er etwas zu früh in die Stadt gekommen war, war Hunter zum Flughafen gefahren, in der Absicht, seine Verlegerin abzuholen. Er sah sich flüchtig um und trat dann an denselben Tresen, an dem zehn Minuten früher auch Lee sich informiert hatte.
„War der Flug 471 pünktlich?“
„Ja, Sir, die Maschine ist vor zehn Minuten gelandet.“
„Ist eine Frau ausgestiegen?“ Wieder sah sich Hunter in der fast leeren Halle um. „Attraktiv, Mitte zwanzig …“
„Ja, Sir“, unterbrach ihn der Angestellte. „Sie ist gerade in den Waschraum gegangen. Dort drüben steht ihr Gepäck.“
„Danke.“ Zufrieden ging Hunter zu Lees fein säuberlich aufgereihten Gepäckstücken. Belustigt ließ er den Blick darüber gleiten. Offensichtlich schleppten alle Frauen immer zu viel mit sich herum. Hatte nicht auch Sarah zwei Koffer für den dreitägigen Besuch bei seiner Schwester in Phoenix mitgenommen? Merkwürdig, sein kleines Mädchen war schon fast eine Frau. Vielleicht auch nicht merkwürdig.
Im Vergleich zu Jungen wuchsen Mädchen viel schneller aus dem Kindesalter heraus.
Als sie zurück in die Eingangshalle trat, sah Lee ihn. Er stand mit dem Rücken zu ihr, so dass sie nur einen großen, schlanken Mann mit schwarzem lockigen Haar sah, das lässig über den Halsausschnitt seines T-Shirts fiel. Genau pünktlich, dachte sie zufrieden und näherte sich ihm.
„Ich bin Lee Radcliffe.“
Er drehte sich um, und sie erstarrte. Ihr unpersönliches Lächeln fror ein. Im ersten Augenblick konnte sie nicht sagen, warum. Er war attraktiv – vielleicht zu attraktiv. Sein Gesicht war
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