Öl!
hergab.
Die laute, lärmende Generation kam auf die «Sirene» zurück und störte diese Zweisamkeit. Charlies Mumsie ging nach unten und tauchte erst im Speisesaal wieder auf, vor der bemalten Wandtäfelung mit den Watteau’schen Nymphen, Schäfern und Rokokodamen, die bei wohlig-schwülen Lautenklängen der Ruhe pflogen. Die Gastgeberin war jetzt kein Matrosenmädchen mehr, sondern eine Dame von Welt mit beträchtlichen weiblichen Reizen: glänzender blassblauer Satin, golden schimmerndes Haar und schneeweißes, schulterfreies Dekolleté mit zweireihiger Perlenkette. Es war eine verblüffende Verwandlung, und Bunny, der schon Tante Emma am Werk gesehen hatte, hätte begreifen müssen, aber sein Kopf war mit anderem beschäftigt.
Mrs Norman hatte den jungen Ölerben als Tischherrn, und als die Musik einsetzte, fragte sie ihn, ob er mit ihr tanzen wolle – diese schrecklichen jungen Kerle würden ihre Gastgeberin ganz schamlos vernachlässigen. Sie tanzten, und Bunny bemerkte, dass sie eine gute Tänzerin war. Auch er sei ein hervorragender Tänzer, fand sie, wirklich bewundernswert, ob er noch einmal mit ihr tanze? Gern, meinte Bunny; es gab keine andere Frau, mit der er unbedingt hätte tanzen wollen. Ein schwacher, flüchtiger Duft ging von ihr aus, und auch hierüber hätte er eigentlich durch Tante Emma Bescheid wissen müssen, aber er hatte den unbestimmten Eindruck, dass Frauen irgendwie von Natur aus so rochen, und fand das sehr schön von ihnen. Der Busen der Stahlwitwe lag weitgehend bloß, ihr Rücken zur Gänze – bis dorthin, wo seine Hand ruhte.
Charlie zog sie auf, und die ganze Gesellschaft kicherte. Doch als sie am nächsten Morgen einen langen Spaziergang an Deck unternahmen, merkte Bunny, dass diese jungen Leute nicht einmal vierundzwanzig Stunden brauchten, um sich an etwas zu gewöhnen, und von da an war es langweilig. Also saß er mit Mrs Norman zusammen, fuhr mit ihr im Auto, tanzte und spielte Golf mit ihr, all das, was Charlie mit Bertie tat, und zumindest drei von den vieren waren damit hochzufrieden.
10
Dann wollte Bunny eines Abends einen Artikel in einer Zeitschrift lesen, und so stahl er sich gegen Mitternacht fort, legte sich in seiner Kajüte in das vergoldete Bett mit den handbestickten rosa Kissen und der vergoldeten oder vielleicht auch massiv goldenen Stehlampe zu seinen Häupten und war schon bald weit weg, in Russland, wo er die vom Hunger Versprengten am Straßenrand sterben sah, oder auch in Ungarn, wo man die Revolution nach dem simplen Verfahren niederschlug, jeder, der an sie glaube, müsse abgeschlachtet werden. Wie immer verwendete man hierfür Maschinengewehrkugeln aus amerikanischen Stahlwerken, gekauft mit amerikanischen Darlehen. Bunny war so vertieft in diese traurigen, fernen Ereignisse, dass er nicht hörte, wie sich die Tür seiner Kajüte ganz leise öffnete und der Schlüssel von innen ganz vorsichtig umgedreht wurde. Als Erstes bemerkte er den schwachen, süßlichen Duft, dann erblickte er vor seinem Bett eine Vision, gekleidet in einen purpurnen Kimono mit riesigen roten Hibiskusblüten. Die Vision warf ihm einen scheuen Blick zu, hielt die Hände gefaltet und hauchte mit einer Stimme, die kaum zu vernehmen war: «Bunny, darf ich ein bisschen mit dir reden?»
Natürlich musste Bunny sagen, ja, sie dürfe, und die Vision sank neben seinem Bett auf die Knie, eine weiche Hand berührte sanft die seine, und die leise Stimme sprach zitternd: «Bunny, ich bin so einsam und unglücklich! Ich weiß nicht, ob du verstehen kannst, was es für eine Frau bedeutet, so einsam zu sein, aber du bist seit langer, langer Zeit der erste Mann, dem ich vertrauen möchte. Ich weiß, ich sollte nicht so zu dir kommen, aber ich muss es dir gestehen, und warum sollen Mann und Frau nicht offen zueinander sein?»
Bunny wusste keinen Grund anzuführen, der dagegensprach, und so waren sie offen zueinander. Kern der Offenbarung war die Tatsache, dass sich im Herzen einer Frau, die am Leben irregeworden war, noch einmal der Traum von der Liebe gemeldet hatte. Bunny dürfe nicht denken, dass sie oberflächlich oder leichtsinnig sei, sie habe so etwas noch nie getan, und sie meine es ernst – Tränen traten ihr in die Augen, als sie ihn beschwor, er möge sie bitte, bitte, nicht verachten, sie wolle nur glücklich sein, und es gebe so wenige Menschen, die man lieben könne. «Sag, Bunny, liebst du eine andere Frau?»
Vielleicht wäre es gnädiger gewesen, zu antworten, ja, er liebe
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