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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Papier, steckte ihn in einen einfachen Umschlag, adressierte ihn an «Miss Ruth Watkins, Paradise, Kalifornien», und warf ihn in einen Briefkasten.
    Mrs Groarty freute sich immer, wenn sie Bunny sah, und leider wusste Bunny auch, warum. Sie wollte ihn als Bohrloch missbrauchen. Höflich lieferte er ihr eine gewisse Menge an Informationen. Er fragte Dad nach Sliper und Wilkins, und Dad sagte, das seien «falsche Hunde». Bunny leitete diese Beurteilung weiter, dennoch schlossen die mittleren Parzellen mit den beiden einen Vertrag ab – und wünschten sich sehr rasch, sie hätten es nicht getan. Denn Sliper und Wilkins verkauften den Pachtvertrag an ein Konsortium, und bald stand auf der Parzelle neben den Groartys ein Zelt, und in den vollgestopften Straßen von Beach City warb ein Reklamemensch mit einem Gratislunch. Das «Bonanza-Konsortium Nr. 1» zog in aller Eile einen Bohrturm hoch und bohrte vorschriftsmäßig an, etwa hundert Fuß tief. Mrs Groarty war im siebten Himmel und kaufte von ihren tausend Dollar Prämie hundert Anteile eines anderen Konsortiums, der «Kooperative Nr. 3». Die Menschenmenge trampelte über ihren Rasen, aber das machte ihr nichts aus; die Gesellschaft würde ihr Haus ohnehin umsetzen, sowie sie das zweite Loch bohrten, und dann würde sie in eine «viel schickere» Gegend übersiedeln, erzählte sie Bunny.
    Doch bei seinem nächsten Besuch bemerkte er Sorgen im Gesicht der stämmigen Dame. Die Bohrarbeiten waren eingestellt worden, in den Zeitungen hieß es, die Mannschaft suche nach verlorenem Gerät, aber die Männer sagten, sie seien auf der Suche nach ihrem Lohn. Der Verkauf von Anteilen ging zurück, der Reklamemensch verschwand, und das Konsortium wurde an eine sogenannte Holdinggesellschaft verkauft. Doch die Bohrarbeiten wurden nicht wieder aufgenommen, und die arme Mrs Groarty in ihrem Jammer beschwor Bunny, über seinen Vater herauszufinden, was mit ihnen geschehe. Aber Dad wusste es nicht, niemand wusste es. Erst sechs Monate später, lange nachdem Dad seine Bohrung Ross-Bankside Nr. 1 mit triumphalem Erfolg in Produktion genommen hatte, erschienen in den Zeitungen Horrorschlagzeilen des Inhalts, die Anklagejury gedenke D. Buckett Kyber und seine Teilhaber vom Bonanza-Konsortium wegen betrügerischen Verkaufs von Ölaktien vor Gericht zu stellen. Dad sagte zu Bunny, das sei wahrscheinlich ein Erpressungsversuch, einige Beamte und vielleicht auch Zeitungsleute wollten nur, dass Mr Kyber sie «besuchte». Offenbar erhielten sie «Besuch», denn man hörte nichts mehr von der Staatsanwaltschaft. Unterdessen fanden die Verpächter niemanden, der die Bohrungen fortsetzte, denn im Nachbarblock hatte man aus einem Bohrloch ganze zweihundert Barrel gefördert, also praktisch nichts, und jetzt hieß es in den Zeitungen, der Südhang wirke entschieden «nervös».
    So ging Bunny, umstrahlt vom Erfolg seines Vaters, die Straße entlang und begegnete dem armen Mr Dumpery, der sich von der Straßenbahn heimwärts schleppte, nachdem er einige Tausend Nägel in ein Schindeldach geklopft hatte, oder dem Stuckateur Mr Sahm, wie er die Mais- und Bohnenbeete in seinem Gärtchen mit einem Schlauch wässerte. Bunny besuchte Mrs Groarty, die ihre Hühner fütterte und die Kaninchenställe ausmistete, aber nie wieder bekam er das schicke Abendkleid aus gelbem Satin zu Gesicht. Um nicht hochnäsig zu wirken, trat er ein, setzte sich und plauderte mit ihr; noch immer gab es die Treppe, die nirgendwohin führte, und noch immer lag der «Leitfaden für Damen. Ein praktisches Handbuch für das vornehme Leben» auf dem Tisch in der Mitte, die blaue Seide abgegriffen, die Goldbuchstaben angelaufen. Bunnys Blick erfasste all dies und begriff, was Dad meinte, wenn er das Ölgeschäft mit dem Himmelreich verglich: «Viele sind berufen, wenige aber auserwählt.» 14
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    Auf dem ganzen Berg standen Bohrtürme, und die Mannschaften arbeiteten in rasendem Tempo, um als Erste den kostbaren Schatz zu heben. Tagsüber sah man weiße Wölkchen aus den Dampfmaschinen steigen und bei Nacht Lampen an den Bohrtürmen leuchten, und Tag und Nacht hörte man das Geräusch der schweren, sich ständig drehenden Anlage: «ump-um, ump-um, ump-um». Die Zeitungen veröffentlichten die Ergebnisse, und hunderttausend Spekulanten und Möchtegernspekulanten lasen die Berichte, stiegen ins Auto und fuhren hinaus aufs Gelände, wo die Konsortien ihre Zelte aufgeschlagen hatten, oder drängten in der Stadt in die Maklerbüros, wo

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