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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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1992
    Angelika Alba stand am Küchenfenster und zog die Gardine mit dem Rosenmuster einen Spalt weit auf. Gerade so weit, dass sie ihren Nachbarn Adam Lefeber beobachten konnte, ohne ihrerseits gesehen zu werden.
    Obwohl Lefeber alleinstehend war, bewohnte er ein Reiheneckhaus mit gelbem Anstrich und weißen Fensterläden an der Renoirallee im Frankfurter Stadtteil Riedberg. An der Nordseite rankte sich allen Widrigkeiten des Wetters zum Trotz eine Klematis empor, im Vorgarten leuchteten die Blüten eines sauber gestutzten Rosenstrauchs der Sorte Queen Elisabeth, eingefasst von gelbem und weißem Phlox. Abgesehen von der späten Blütenpracht glich das Haus dem der Nachbarn wie ein Ei dem anderen.
    Lefeber sperrte die drei Schlösser jeweils doppelt ab, rüttelte probeweise an der Eingangstür und ließ den Schlüssel in seine Aktentasche gleiten.
    »Er hat die Tür abgeschlossen«, flüsterte Angelika Alba.
    Lefeber strich mit der Hand über ein Fenster, prüfte und nickte bestätigend, um sich dann dem nächsten zuzuwenden. Schließlich verschwand er aus Albas Blickfeld.
    »Er ist in den Garten gegangen«, wisperte sie.
    Lefeber tauchte wieder vor dem Haus auf und ging auf sein Fahrrad zu. Er klemmte die Aktentasche auf den Gepäckträger und schob das Rad auf den Gehweg. Selbst das Gartentor sperrte er hinter sich ab, obwohl es für jeden Schuljungen ein Leichtes gewesen wäre, darüberzuklettern. Dann stieg er auf und fuhr los, vorbei an Familienkutschen und Coupés mit Ledersitzen.
    Angelika Alba hörte das Rascheln, als die Reifen von Lefebers Fahrrad vor ihrem Haus über das Laub rollten. Einen Moment blendete sie die Herbstsonne, die hinter dem nahen Kindergarten hervorblitzte, und als sie das nächste Mal auf die Straße sah, begegnete sie Lefebers Blick.
    Er winkte ihr zu.
    Angelika Albas Herz drohte auszusetzen – nun hatte er sie doch entdeckt. Mechanisch winkte sie zurück. Dann verschwand Lefeber aus ihrem Sichtfeld. Sie atmete auf.
    Einen Augenblick später ging die Türklingel.
    Alba drehte sich um. Im Wohnzimmer, das an die Küche grenzte, standen fünf Männer, vier von ihnen verbargen die Gesichter unter Sturmhauben. Sie trugen schusssichere Westen, Waffen und grobe Stiefel, die ihren schönen Teppich ruinierten.
    Der junge Polizist mit dem Namen Hartmann, der einzige in Zivil, nickte beruhigend. »Keine Panik«, sagte er.
    »Soll ich hingehen?« Albas Stimme zitterte. Sie betete, dieser Kelch möge an ihr vorübergehen.
    »Hat er Sie gesehen?«
    Alba nickte.
    »Dann ja.«
    »Was soll ich sagen?«
    Hartmann lächelte. »Fragen Sie ihn einfach, was er will.«
    Angelika Alba wischte sich die schweißnassen Hände an der Schürze ab, strich sich über die Haare und ging zur Tür. Die Männer zogen sich noch ein wenig tiefer in die Schatten des Wohnzimmers zurück.
    Sie atmete tief durch. Dann öffnete sie die Tür.
    Lefeber stand direkt vor ihr auf dem Treppenabsatz. Er lächelte, Grübchen in den Wangen seines jungenhaften Gesichts. »Guten Morgen, Frau Alba.«
    »Guten Morgen, Herr Lefeber. Spät dran heute?«, sagte sie, um eine normale Reaktion bemüht. Ganz bestimmt merkte er, dass ihre Stimme spröde klang.
    »Ich habe erst in der zweiten Stunde Unterricht.« Lefeber rümpfte die Nase, als habe er etwas gerochen. Er versuchte, an Alba vorbei in den Flur zu spähen, doch sie zog die Tür ein paar Zentimeter weiter zu.
    »Alles in Ordnung, Frau Nachbarin?«
    »Alles bestens, Herr Lefeber.« Sie umklammerte den Türgriff, bis ihre Hand schmerzte. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich wollte Sie bitten, ein Paket für mich entgegenzunehmen, das heute Vormittag ankommt.«
    Erleichtert lockerte Alba den Griff, ihre Hand prickelte.
    »Gerne, Herr Lefeber.«
    »Ich müsste nur schnell einen Zettel schreiben und an die Tür kleben.« Lefeber stutzte. »Geht es Ihnen wirklich gut? Sie sehen ein bisschen blass aus.«
    »Es geht mir bestens, Herr Lefeber.«
    Ihr war sterbenselend.
    »Darf ich auf einen Sprung hereinkommen und die Nachricht schreiben?«
    »Nein.«
    Lefeber lachte erstaunt auf.
    Ein Ruck ging durch Angelika Alba. Herrgott, jetzt reiß dich zusammen! Wenn du so weitermachst, geht er dir gleich hier auf der Schwelle an die Gurgel.
    »Tut mir leid, Herr Lefeber, ich … bin gerade erst aufgestanden und noch nicht richtig wach. Warten Sie einen Augenblick, ich hole Stift, Papier und Tesa.« Alba kämpfte einen Moment lang gegen das dringende Bedürfnis, dem Nachbarn die Tür vor der Nase

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