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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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    Sie schaukelten also auf dem Trampelpfad dahin und zählten die Arroyos, deren Wände im Zwielicht drohend aufragten, gekrönt von bizarren Felstürmen. Die Scheinwerfer schwenkten mal hierhin, mal dorthin und fischten die Straße aus dem Dunkel, bis schließlich ein Arroyo mit Wasser kam – zu erkennen an dem hellgrünen Gras – und sie auf eine noch holprigere Straße abbogen. Ein weniges weiter, und sie stießen auf ein paar Gebäude mit einem einzigen erleuchteten Fenster. Das war die Ranch, wo Paul Watkins geboren und aufgewachsen war, und in Bunny regte sich etwas, ein ganz unerklärlicher Schauer – als nähere er sich der Geburtsstätte von Abraham Lincoln oder einem ähnlich bedeutenden Menschen!
    Plötzlich sprach Dad. «Hör zu, mein Sohn», sagte er. «Hier könnte es Öl geben – es besteht immer die Chance von eins zu einer Million, deshalb sprich nicht drüber. Wenn du magst, kannst du ihnen erzählen, dass du Paul getroffen hast, aber erzähl nicht, dass er was von Öl gesagt hat, und du sagst auch nix. Alles Reden übers Geschäft übernehm ich.»
    Es war ein «kalifornisches Haus»: einen Fuß breite Bretter, senkrecht verarbeitet, mit schmalen Deckleisten, die die Ritzen schlossen. Veranda hatte es keine, weder vorn noch hinten, nur eine flache Steinstufe. Die Farbe, falls es jemals eine gegeben hatte, war so ausgebleicht, dass man im Licht der Scheinwerfer keine Spur davon sah. Auf der anderen Straßenseite, etwas weiter talaufwärts, zeichneten sich undeutlich ein paar Stallgebäude ab sowie ein großer Pferch aus Brettern, hie und da mit Eukalyptuspfosten ausgebessert. Aus dieser Ecke hörte man die nervösen, gedämpften Laute einer großen Anzahl zusammengesperrter Tiere.
    Die Familie stand aufgereiht im Hof und starrte auf das ungewohnte Schauspiel eines Autos, das auf ihren Grund gefahren kam. Ein magerer, krummgearbeiteter Mann, ein Junge, etwas kleiner als er, aber auch schon mit krummen Schultern, beide in ausgebleichten blauen Hemden ohne Kragen und in vielfach geflickten Denimhosen mit Hosenträgern. Drei Mädchen wie die Orgelpfeifen in formlosen Kattunkleidern, und in der Tür eine Frau, ein kleines Gespenst von einer Frau, bleich und erschöpft. Alle sechs standen regungslos und schweigend da, während das Auto auf den Hof fuhr, hielt, und der Motor schließlich nur noch leise schnurrte. «Guten Abend», sagte Dad.
    «Tag, Bruder», sagte der Mann.
    «Wohnt hier die Familie Watkins?»
    «Ja, Bruder.» Es war eine schwache, unsichere Stimme, aber sie ließ Bunny bis ins Innerste erschauern, denn er wusste, dass diese Stimme zu lallen und in Zungen zu reden pflegte. Angenommen, die Familie würde «loslassen» und mit ihrem Springen und Wälzen beginnen, solange Bunny noch da war!
    «Wir wollen auf die Jagd», erklärte Dad, «und wir haben gehört, hier könnt man gut zelten. Haben Sie sauberes Wasser?»
    «Gibt kein besseres. Mach’s dir bequem, Bruder.»
    «Gut, dann fahren wir noch ’n bisschen die Straße rauf, damit wir aus dem Weg sind. Haben Sie einen großen Baum, wo’s Schatten gibt?»
    «Eli, zeig ihnen die Eiche und hilf ihnen beim Aufbauen.»
    Wieder erschauerte Bunny, denn dies war Eli, der vom Heiligen Geist Auserwählte, der das Zittern hatte und die alte Mrs Bugner durch Handauflegen von ihren Komplikationen geheilt hatte. Bunny erinnerte sich an jede Einzelheit über diese Familie, die außergewöhnlichste, die ihm jemals außerhalb eines Geschichtenbuchs begegnet war.
    4
    Eli ging die Straße hinauf, und das Auto folgte ihm. Unter einer großen Lebenseiche befand sich ein freier Platz, und Dad stellte das Auto so, dass die Scheinwerfer die Fläche beleuchteten – wenn man mit einem Auto zeltete, war Dunkelheit kein Problem. Dad stellte den Motor ab, und Bunny kletterte über seine Tür und begann an den Schnallen zu zerren, mit denen das große Bündel am Trittbrett befestigt war. Im Nu hatte er es geöffnet und aufgerollt, und Wunderbares kam zum Vorschein: ein Zelt aus wasserdichter Seide, so dünn, dass sich dieses Haus von acht Fuß im Quadrat zu einem Bündel aufrollen ließ, das auch ein Anzug hätte sein können. Dann gab es die zerlegten Zeltstangen, die man zusammenschrauben musste, die Heringe und den kleinen Campinghammer zum Reinklopfen, drei warme Campingdecken, dazu das wasserdichte Umschlagtuch, das man ebenfalls als Decke benützen konnte. Zwei Luftkissen und eine Luftmatratze konnte man aufblasen, bis man rot im Gesicht war – ein

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