Oh, diese Verwandschaft!
verstaut waren. Zum erstenmal nahm er die Sache nicht von der heiteren Seite. Er hörte zufällig Josephs letzte Worte und fluchte leise, aber kräftig. Dafür war Laura um so fröhlicher. Sie lachte und schob ihren Arm in den seinen.
»Er ist ein undankbares altes Ekel, aber was tut’s? Wir brauchen ihn nun nicht mehr zweimal am Tag bei den Mahlzeiten zu sehen und sein Gebrumm anzuhören. Damit wird er Marie nicht belästigen. Mit ihr wird er sehr liebevoll umgehen, damit sie ihn nicht rauswirft.«
»Ihr wird er aus der Hand fressen — und nicht hineinbeißen wie bei dir.«
»Ach, laß uns das alles vergessen! Hauptsache: er ist fort. Darüber bin ich glücklich genug.«
»Ich auch, besonders wenn ich dich so höre. Du fängst an, realistisch zu denken und dich nicht mehr von den Erinnerungen an Großmutter quälen zu lassen. Ist es zu glauben, daß wir jetzt doch endlich einmal allein sind?«
Es schien unfaßbar, das fand sie auch.
Am Tage nach Josephs Abzug kam es zu einem neuen Unfall an der Straße. Um zwei Uhr nachts wurden sie durch ein aufgeregtes Pochen an der Haustür geweckt. Draußen stand ein siebzehnjähriger Junge; er triefte vor Nässe und bebte vor Angst und Aufregung. Das Auto, in dem er als Beifahrer gesessen hatte, war in der schlechten Kurve von der Straße abgekommen und in den Fluß gestürzt. Sein Freund war gefahren; er war unter dem Wagen begraben und sicherlich tot.
Für den Rest der Nacht gab es für Laura und ihren Mann keinen Schlaf mehr. Derek eilte zum Unfallort; aber ein Blick auf den Wagen, von dem nur noch das Dach aus dem Wasser ragte, überzeugte ihn, daß für den Fahrer jede Hilfe zu spät kam. Laura setzte inzwischen dem Jungen, der sich hatte retten können, Kaffee und Schnaps vor; sie suchte einige Kleidungsstücke von Hugh für ihn zusammen und überredete ihn, hier neben der Heizung sitzen zu bleiben. Die notwendigen Telefongespräche würde Derek führen.
Es war eine schreckliche Nacht. Am nächsten Tag brachten die Zeitungen die Nachricht in Schlagzeilen, mit vielen Vorwürfen gegen die Straßenbauverwaltung. Die Folgen des tragischen Unfalls mußten beseitigt, die Leiche mußte gefunden und der Wagen geborgen werden. Bei allem half Derek der Polizei. Am nächsten Abend kam er erschöpft und niedergeschlagen heim. Unvorsichtigem Fahren und der schlechten Straße war wieder ein junges Menschenleben zum Opfer gefallen. Das war entsetzlich.
»Sie müssen viel zu schnell gefahren sein«, sagte er. »Vor Mitternacht hatte es tüchtig geregnet, und die Straße war naß. Nach den Reifenspuren zu urteilen, haben sie zu spät gebremst. Trotzdem wäre nichts passiert, wenn die Straße in Ordnung wäre.«
Die öffentliche Meinung forderte, daß es keinen weiteren Unfall mehr geben dürfe. Die Begradigung der Straße sei dringend. Die neue Straße sei schon vermessen. Die Anlieger müßten zur Räumung aufgefordert werden, und mit den Arbeiten müßte unverzüglich begonnen werden. Inzwischen sollten Warnschilder aufgestellt und ein starkes Geländer längs des Flusses errichtet werden. Trotz seines Mitleids mit dem Toten und seinen Eltern war Derek im Grunde froh: Endlich war es so weit! Und zu allem Glück noch vor dieser elenden Hochzeitsfeier. Nun konnte er weiter planen. Davon erzählte er Laura nichts; sie war nach seiner Meinung äußerst empfindlich geworden, was die »Waisenkinder« betraf.
Nicht ohne Grund, wie sich herausstellte; denn gerade als sich der Himmel aufklärte, brach ein neuer Sturm los. Mit Christine hatte es eine so himmlisch lange Ruhepause gegeben. So erlitt Laura einen richtigen Schock, als ihre Kusine eines Morgens mit ungewöhnlich ernstem Gesicht ankam. Noch schlimmer: sie sah krank und deprimiert aus. Ein Blick auf das Auto beruhigte Laura ein wenig. Keine Tiere schauten heraus, nicht einmal Toss. Das bedeutete zum mindesten, daß sie nicht entschlossen war, Guy wieder einmal zu verlassen.
Christine schien verändert und teilnahmslos. Sie folgte Laura in die Küche, wo diese Marmelade kochen wollte. Plötzlich platzte sie heraus: »Laura, es ist schrecklich! Ganz schrecklich!«
»Was ist schrecklich?«
»Mit Guy und mir. Ich meine, als Ehepaar. Völlig hoffnungslos.«
Sie sprach so unzusammenhängend und in so tiefem Ernst, daß Laura aufhorchte. Sie fragte in scharfem Ton: »Was willst du damit sagen?«
»Genau das, was ich sage. So geht es nicht weiter. Wir können nicht mehr so weitermachen. Ich habe es versucht. Ganz ernsthaft.
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