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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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A m neunten Juli 186... , einem Donnerstag, standen Jean Bertaud, genannt »das Tönnchen«, und sein Sohn Philippe – in ganz Orcival dafür bekannt, daß sie von Wilderei und anderen unlauteren Einkünften lebten – bei Sonnenaufgang um drei Uhr morgens auf, um zu fischen. Wurfnetz und Angeln geschultert, schritten sie den von Akazien beschatteten reizenden Weg entlang, den der Reisende von der Bahnstation von Evry aus erblickt und der von dem Marktflecken Orcival zur Seine hinabführt.
    Sie begaben sich zu ihrem Kahn, der gewöhnlich an die fünfzig Meter von dem Brückenpfeiler der Eisenbahnbrücke entfernt festgemacht war, gleich neben Schloß Valfeuillu, dem hübschen Landsitz des Comte de Trémorel.
    Am Flußufer angekommen, legten sie ihre Ausrüstung ins Gras, und Jean das Tönnchen kletterte ins Boot, um es leer zu schöpfen. Während er geschickt den Schöpfeimer handhabte, bemerkte er mit einemmal, daß ein Rudernagel des alten Kahns, offensichtlich vom steten Gebrauch der Ruder abgenutzt, über kurz oder lang entzweibrechen würde.
    Â»Philippe!« schrie er seinem Sohn zu, der damit beschäftigt war, ein Wurfnetz zu entwirren, dessen Maschen ein Fischereiaufseher entschieden zu klein gefunden hätte. »Such mal einen Stock, den ich als Rudernagel nehmen kann.«
    Â»Wird gemacht«, antwortete Philippe.
    In der Flußsenke standen keine Bäume. Also wandte sich der junge Mann, ohne sich weiter um den Artikel 391 des Strafgesetzbuches zu scheren, linkerhand zu Schloß Valfeuillu und übersprang den breiten Graben, der das Anwesen vom Gemeindeland trennte. Er wollte sich von einer der alten Weiden, die dort bis zum Fluß reichten, einen passenden Ast abschneiden.
    Er hatte sein Messer aus der Tasche gezogen und zur Vorsicht erst einmal mit dem mißtrauischen Blick des Diebes um sich geblickt, als er auch schon einen erstickten Schrei ausstieß.
    Â»Vater! He, Vater!«
    Â»Was gibt es denn«, antwortete der alte Wilderer, ohne sich bei seiner Tätigkeit stören zu lassen.
    Â»Vater, kommen Sie«, sagte Philippe, »um Himmels willen, kommen Sie schnell!«
    Jean das Tönnchen erkannte an der gepreßten Stimme seines Sohnes, daß irgend etwas Außergewöhnliches passiert sein mußte. Er legte seinen Schöpfkrug beiseite und war, nun ebenfalls beunruhigt, mit drei Sätzen in dem Park. Auch er erstarrte beim Anblick dessen, was seinen Sohn erschreckt hatte.
    Zwischen Binsen und Schwertlilien lag am Flußufer der Leichnam einer jungen Frau. Ihr langes, gelöstes Haar wogte zwischen den Wasserpflanzen, ihr graugestreiftes Seidenkleid war blutverschmiert und schlammverkrustet. Der gesamte Oberkörper lag im seichten Wasser, und das Gesicht steckte im Schlick.
    Â»Ein Mord!« murmelte Philippe, und seine Stimme zitterte.
    Â»So ist es«, erwiderte das Tönnchen anscheinend gleichgültig. »Aber wer könnte die junge Frau sein? Allem Anschein nach die Comtesse.«
    Â»Wir werden gleich mal nachsehen«, sagte der junge Mann.
    Er machte Anstalten, auf den Leichnam zuzugehen; sein Vater hielt ihn am Arm zurück.
    Â»Was tust du da, Kerl!« sagte er. »Man darf niemals den Körper einer ermordeten Person berühren.«
    Â»Meinen Sie?«
    Â»Aber gewiß! Es ist bei Strafe verboten.«
    Â»Nun, dann informieren wir den Bürgermeister.«
    Â»Wozu? Ärgern uns die Leute hier nicht vielleicht schon genug? Wer weiß, was sie uns dann noch vorwerfen!«
    Â»Aber Vater...«
    Â»Na was! Wenn wir Monsieur Courtois informieren, wird er uns fragen, wie und weshalb wir eigentlich in den Park von Monsieur de Trémorel gekommen sind. Und dann wird er noch behaupten, wir hätten die Comtesse getötet. Man wird sie auch ohne dein Zutun finden..., komm, laß uns abhauen.«
    Aber Philippe bewegte sich nicht von der Stelle. Mit gesenktem Kopf, das Kinn auf die Faust gestützt, überlegte er. »Wir müssen es melden«, erklärte er entschieden, »wir sind doch keine Wilden. Wir werden Monsieur Courtois sagen, daß wir mit unserem Boot am Park vorbeigerudert sind und dabei den Körper entdeckt haben.«
    Der alte Bertaud widersetzte sich dem zunächst, doch als er merkte, daß notfalls sein Sohn ohne ihn zum Bürgermeister gehen würde, schickte er sich in das Unvermeidliche. Sie sprangen noch einmal über den Graben und wandten sich,

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