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Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall

Titel: Ohnmacht: Tannenbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Feuer!“, beschwerte sich Fouquet, wilde Grimassen schneidend.
    „Dilettant! Du hast doch überhaupt keine Ahnung! Das ist ein wunderbar weicher Mirabellenbrand. Gut und gerne zehn Jahre alt. Die Früchte hab ich eigenhändig gepflückt und auf dem Frönerhof selbst gebrannt.“
    „Entschuldige, ich hab ja nicht gewusst, dass ich solch eine Delikatesse gerade achtlos hinuntergekippt habe.“
    „Fahr jetzt besser weiter. Sonst vergesse ich mich noch, du kulturloser Banause!“
    Als Tannenberg vor dem von grellem Halogenscheinwerferlicht hell erleuchteten Tunneleingang stand, war er sehr verwundert darüber, dass er zwar einige Mitarbeiter der Spurensicherung auf der Gleisanlage sah, aber keinen Intercity.
    „Hallo Eisbären, wo ist denn der Zug?“, fragte er die, wie immer in putzige weiße Kunststoffoveralls gehüllten Kriminaltechniker.
    „Der steht hinten im Tunnel nach der Kurve“, rief einer der Männer zurück. „So ein Intercity hat schließlich einen Bremsweg von mehreren hundert Metern.“
    „Danke Kollege, für die Auskunft! Wo ist denn euer Chef?“
    „Wolf, ich bin hier unten!“, antwortete plötzlich eine dunkle Stimme von der anderen Seite des Bahndamms her. „Warte, ich komme hoch und zeig dir mal, was wir bisher gefunden haben.“
    „Ach, Karl, so genau will ich das alles gar nicht wissen“, wehrte Tannenberg ab.
    Der Leiter der kriminaltechnischen Abteilung kletterte schnaubend die Böschung hinauf. Mit seiner rechten Hand hielt er einen länglichen Gegenstand in die Höhe. „Weißt du, was das hier ist?“
    „Wie soll ich denn das auf die Entfernung hin sehen? Ich bin doch kein Adler! Eigentlich will ich mir dieses Zeug auch gar nicht näher anschauen!“
    „Es ist aber höchst interessant, was ich hier habe!“
    „Dann sag mir’s halt einfach. Aber bleib ja dort, wo du gerade bist!“, erwiderte Tannenberg und ging zur Sicherheit ein Paar Schritte zurück.
    Karl Mertel deutete mit dem Zeigefinger seiner linken Hand auf das wurstähnliche Ding, das er in einem kleinen durchsichtigen Plastiktütchen verstaut hatte. „Das hier ist der eindeutige Beweis dafür, dass es sich bei dem zerfetzten Toten definitiv um einen Vertreter des männlichen Geschlechts gehandelt hat!“
    Die aus Richtung Fouquets an Tannenbergs Ohr dringenden Würgegeräusche waren so laut, dass er seine Antwort einen Augenblick hinauszögern musste.
    „Bleib mir bloß vom Leib mit diesem ekligen Kram!“ Er schaute sich suchend um. „Wo ist denn eigentlich mein alter Freund, der liebe Herr Kollege Rechtsmediziner?“
    „Der liegt bestimmt selenruhig zu Hause in seinem warmen Bettchen. Das ist auch besser so. Der würde uns sowieso bloß wieder tollpatschig zwischen den Füßen rumlaufen. – Dass der arme Kerl hier, zu dem diese vielen Einzelteile gehören, mausetot ist, sieht ja wohl auch ein Blinder mit einem Krückstock. Und wie er zu Tode gekommen ist, ja wohl auch.“
    „Hast eigentlich Recht, Karl. Dieser alte Chaot würde uns hier sowieso nur alles durcheinanderbringen.“
    „Seh ich auch so, Wolf. Wir sammeln ihm die Brocken auf, kratzen die Fetzen vom Zug und von den Tunnelwänden, fotografieren sie, versehen sie jeweils mit einem nummerierten Schildchen, legen sie in die große Alukiste und schieben sie ihm nachher in der Pathologie in eines seiner geliebten Kühlfächer. Dann kann er später in aller Ruhe sein Leichenpuzzle zusammensetzen. – Fouquet, hörst du was?“
    „Was soll ich hören?“, antwortete der Angesprochene gedehnt mit gepresster Stimme.
    „Na, diese lauten, spitzen Schreie der Raubvögel, die vom Aasgeruch angelockt worden sind?“
    Der junge Kriminalbeamte antwortete nicht, sondern entledigte sich geräuschvoll der letzten Reste seines Mageninhalts.
     
    Am späten Nachmittag desselben, ungewöhnlich kalten Apriltages saß Wolfram Tannenberg alleine in seinem Dienstzimmer und wartete ungeduldig auf den angekündigten Besuch Dr. Schönthalers. Dieses Entgegenkommen war dem Gerichtsmediziner allerdings nur schwer abzuringen gewesen, bestand er doch fast das gesamte Telefongespräch über hartnäckig darauf, dass ihn der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission wie üblich in der Pathologie des Universitätsklinikums aufsuchen sollte. Aber angesichts des ihn dort erwartenden makaberen Szenarios hatte Tannenberg schon lange vor dem Telefonat entschieden, sich diesmal unter keinen Umständen an den sterilen, weißgekachelten Arbeitsplatz des Rechtsmediziners zu

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