Oliver Hell - Der Mann aus Baku (Oliver Hells zweiter Fall) (German Edition)
viel ab. Der Fall bekam dann hoffentlich eine Richtung. Endlich.
*
Die Dunkelheit hatte sich an diesem Abend frü h auf die Stadt abgesenkt. Es war kalt an diesem Abend. Einer der wenigen kalten Tage ging bald zu Ende. Der November zweitausendzwölf war ein sonniger Monat. Im Gegensatz zum üblichen Einheitsgrau dieses Monats, in dem die meisten Selbstmorde passierten. Zu groß war der Unterschied zu den Monaten vorher. Kalt. Dunkel. Nass.
Chingiz Dadash Mamedov stö rte die Kälte in Deutschland schon lange nicht mehr. Er war jetzt seit zehn Jahren hier in Bonn ansässig. Daher hatte er sich an diese Witterungsbedingungen gewöhnt. Bald würde er die Heimat in Aserbaidschan besuchen. Seine Familie, die dort noch lebte.
Jetzt wartete er schon seit einer halben Stunde auf Agayer. Der kam viel zu spä t. Mamedov kannte so eine Behandlung nicht. Er blickte auf seine Armbanduhr. Es war halb neun Uhr abends. Agayer hatte im Hotel Kameha Grand nebenan eingecheckt. Deshalb hatte er Mamedov in das Restaurant direkt in der Nähe des Hotels bestellt.
Das Restaurant war gut gefü llt. Er schaute sich um. Alle Tische um ihn herum waren besetzt. Der Kellner hatte bereits die Speisekarten gebracht. Mamedov hatte erst nur ein Wasser geordert. Der Kellner kam gerade wieder vorbei, Mamedov ignorierte seinen Blick. Wenn Agayer nicht in den nächsten fünf Minuten käme, würde er gehen. Er blickte erneut genervt auf seine Uhr.
Doch plö tzlich stand jemand neben ihm.
„ Herr Mamedov? Ich bin untröstlich. Der Weckdienst hat es versäumt, mich anzurufen. Ich bitte um Verzeihung. Mein Name ist Agayer, Mashad Agayer.“ Er verbeugte sich.
„ Aber das macht doch nichts“, sagte Mamedov, der innerlich vor Wut kochte, „Angenehm, Herr Agayer. Bitte setzen Sie sich. Ich habe mit der Bestellung auf Sie gewartet.“ Er ließ sich nichts anmerken.
Agayer nahm Platz. Er hatte gelogen. Der Weckdienst hatte ihn pü nktlich geweckt. Er war ganz bewusst zu spät gekommen. Damit wollte er seinem Gegenüber klar machen, dass er derjenige war, der hier das Sagen hatte. Mamedov mochte ein Landsmann sein, doch kam Agayer als Vertrauter von Shukarov nach Europa. Mamedov hingegen hatte Badak nicht unter Kontrolle gehabt, daher hatte auch er Verantwortung für den sinnlosen Mord an den drei Frauen zu tragen. Das würde er ihm gleich klarmachen.
Doch erst einmal blieb er ganz Gentleman, spielte weiter seine Rolle.
„Haben Sie bereits gewählt?“, fragte Agayer und öffnete die Speisekarte, „Können Sie etwas empfehlen?“
Mamedov griff ebenfalls zur Karte. „ Nein, ich kenne mich hier nicht aus. Ich war noch nie vorher hier. Tut mir leid.“
Schließ lich schaute Agayer nur kurz über die Karte. Im Leben ging es darum, den größten Vorteil zu ergattern. Er bestellte ein Nudelgericht mit Meeresfrüchten. Fleischgerichte aß er nur in Restaurants, die er kannte. Mamedov bestellte ein Steak.
Nachdem der Keller die Bestellung aufgenommen hatte, schaute Agayer z ur Mamedov herüber. Er glaubte, in seinem Blick noch immer eine Spur von Ärger zu erkennen.
„ Herr Mamedov, wie Sie sich vorstellen können, bin ich nicht hier, um mit ihnen zu Abend zu essen.“ Er machte eine Pause. Die Gesichtszüge seines Gegenübers spannten sich unmerklich. Agayer aber bemerkte auch die kleinste Nuance. Mamedov lehnte sich zurück, schwieg.
„ Was ich sagen will, es geht im Leben um Methoden. Es geht um Verantwortung. Es geht um den besten Weg, Resultate zu erzielen.“
„ Ja, da haben Sie Recht“, sagte Mamedov. Er spielte mit seiner Armbanduhr, die er unter seine Manschette zurückschob. Nervös. Er ist nervös, dachte Agayer.
„ Man hat Regeln, Vorschriften, Gesetze. Aber die Methoden, die man nutzt, um das umzusetzen, sind die eigenen Methoden. Denken Sie, dass Sie die Methoden adäquat genutzt haben, um die Ihnen vorgegebenen Regeln korrekt umgesetzt zu haben?“
Mamedov blickte nicht verwundert. Er war klug genug schon vor dem Treffen gewusst zu haben, dass es um Badak gehen wü rde. Doch war er sich keiner Schuld bewusst.
„ Es geht um Badak, stimmt‘s?“
„ Es geht um Badak. Es geht um ihre Art, Geschäfte zu führen. Wie kann man einem Mann wie Badak eine solche Aufgabe erteilen?“
„ Badak hat sich angeboten. Wir haben hier in Bonn nicht so viele geeignete Leute. Da habe ich ihm vertraut. Das war‘s.“
„ Das war‘s? Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen? Ist das nicht ein bisschen wenig?“
„ Nein. Denken Sie, was sie
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