Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

ihrer Mitglieder als Gefängnis-Camorrista galt.
    Sezione accusa, Voce Vincenzo + 2 , 30 .  06 .  1882 . Die übliche Geschichte von internen Reibereien zwischen reichen Familien, keine organisierte Kriminalität. Drei Brüder in Bruzzano haben angeblich einen Killer damit beauftragt, ein Mitglied des gegnerischen Clans zu töten; einer der Brüder ist der Richter.
    Sezione accusa, Barbaro Felice + 6 , 23 .  4 .  1883 . Korruption in der Kommunalverwaltung der Locride. Noch keine kriminelle Vereinigung in Sicht, wie es scheint. Dieser und der vorhergehende Fall zeigen ein Kalabrien, das dem Auftreten der Picciotteria hilflos gegenüberstand.
    Sezione accusa, Anania Giuseppe + 27 , 21 .  4 .  1884 . Erste Hinweise auf die
Picciotteria
in Nicastro gehen auf das Jahr 1883 zurück. Sämtliche Angeklagte sind ehemalige Sträflinge und haben Verbindungen zu Ciccio Cappuccio,
o signorino
, dem »jungen Herrn« der neapolitanischen Camorra. Sie leben hauptsächlich von der Zuhälterei.
    Corte di Appello delle Calabrie, Crocè Paolo + 3 , 22 .  3 .  1884 . Vier
picciotti
aus Reggio Calabria legen gegen ihre Verurteilung Berufung ein.
    Sezione accusa, Romeo Bruno + 27 , 7 .  12 .  1899 .
Picciotti
aus S. Cristina.
    Sezione accusa, Auteri Felice + 316 , 7 .  12 .  1899 . Die Picciotteria mit Sitz in Iatrinoli, Radicena und Cittanova in der Ebene von Gioia Tauro. Eine umfangreiche Strafverfolgung, basierend auf der Zeugenaussage eines Killers aus der Gang, den seine Genossen im Stich ließen, nachdem er verhaftet worden war. Der Anführer ist ein 39 -jähriger Schafhirte. Er und seine Männer stahlen Vieh und zwangen Grundbesitzer,
picciotti
als Wachposten zu beschäftigen.
    Corte di Appello delle Calabrie, Auteri Felice + 229 , 25 .  2 .  1901 . Eine spätere Phase im selben Prozess – das Dokument bietet viele Erkenntnisse, was die Einstellung der
picciotti
zu Frauen anbelangt. Ciconte interpretiert diesen Prozess als Beispiel für dynastische Eheschließungen in der Picciotteria. Obwohl in der Tat von zwei Ehen die Rede ist, kommt es mir so vor, als bewegten wir uns nach wie vor in einem Milieu, das von Gesichtsschmissen und läppischen »Ehrenkonflikten« um Prostituierte geprägt war, wie sie auch in der neapolitanischen Camorra an der Tagesordnung waren. Die Bosse haben sich angeblich trotzdem »aus dem Elend erhoben« und »ein Vermögen angehäuft«.
     
    Quellen, die ich für diesen Abschnitt konsultiert habe:
    Cronaca di Calabria
. Diese Wochenzeitung enthält gelegentlich interessante Beiträge zur Picciotteria-Problematik. Für das Zitat aus dem Initiationsritual (»Geht es euch gut? Sehr gut!«) siehe »La mala vita a Palmi«, 30 .  09 .  1896 . Die Trimboli-Aussage zum Mythos der spanischen Ritter steht im Artikel »La mala vita a Palmi« vom 11 .  03 .  97 zu lesen. Was die »angeborene Bosheit« der wohlhabenden
africoti
betrifft, vgl. 12 .  03 .  96 .
     
    G. Cingari,
Storia della Calabria dall’Unità a oggi
, Rom–Bari 1983 .
    G. Cingari,
Reggio Calabria
, Rom–Bari 1988 .
    G. Cingari, »Tra brigantaggio e ›picciotteria‹: Giuseppe Musolino« in ders.,
Brigantaggio, proprietari e contadini nel Sud
, Reggio Calabria 1976 .
    E. Ciconte, ’
Ndrangheta dall’Unità a oggi
, Rom–Bari, 1992 . Ciconte vor allem meint schon vor den 1880 er Jahren Symptome für eine Mafiapräsenz in Kalabrien entdecken zu können. Ich deute diese Symptome eher als örtlich begrenzte Aktivitäten der Gefängniscamorra, die vorübergehend einen Brückenkopf in der Welt außerhalb der Gefängnisse etablierte – diese Brückenköpfe würden sich in den 1880 er und 1890 er Jahren zu einer großangelegten Kolonisierung auswachsen. Das Zitat von dem »Geheul der Verwundeten und Sterbenden«, das vor dem Abendläuten zu hören sei, stammt aus Ciconte, S.  211 .
    F. Piselli und G. Arrighi, »Parentela, clientela e comunità«, in P. Bevilacqua und A. Placanica,
Storia d’Italia. Le regioni dall’Unità a oggi. La Calabria
, Turin 1985 . Wichtig im Zusammenhang mit Gesellschaft und Wirtschaft in der Ebene von Gioia Tauro; allerdings wird dieses sozio-ökonomische Profil nicht mit den verfügbaren Beweisen zur Beschaffenheit der frühen Picciotteria abgeglichen.
    P. Bevilacqua, »Uomini, terre, economie«, in P. Bevilacqua und A. Placanica,
Storia d’Italia. Le regioni dall’Unità a oggi, La Calabria
, Turin 1985 . Auch dies eine maßgebliche Studie; zeigt besonders gut die Anfälligkeit der