Liona Lix - Wer will schon einen Drachen?
Aller Anfang ist ... schön?
Liona Lix ist neun Jahre alt (beinahe zehn!) und geht in die vierte Klasse der Grundschule Hennerswalde. Zurzeit jedenfalls. Vorher ging sie in die vierte Klasse der Grundschule Neustadt, davor in die dritte Klasse der Grundschule Käthenbruch, davor in die dritte Klasse der Grundschule Eppsingen, und davor …
Aber das wollt ihr gar nicht alles wissen! Wichtig ist nur, dass Liona eben jetzt in die Grundschule Hennerswalde geht. Und das hoffentlich noch ganz, ganz lange. Es ist nämlich nicht sehr einfach, andauernd die Schule zu wechseln und neue Freunde zu finden und sich immer wieder zu verlaufen, weil man sich in dem neuen Ort noch nicht so gut auskennt.
Und es ist noch weniger einfach, sich dauernd glaubhafte Gründe einfallen zu lassen, warum man so oft umgezogen ist. Auch wenn Liona und ihre Mama inzwischen schon echte Profis im Erfinden von Ausreden geworden sind. (Diese Art Übung kann übrigens immer mal nützlich sein im Leben.)
Einmal haben Liona und ihre Mama zum Beispiel gesagt, dass Lionas Mama Oktavia das Klima in ihrem alten Dorf nicht vertragen hat. (Das ist eine ziemlich gute Ausrede. Viele Erwachsene vertragen irgendwo „das Klima“ nicht.)
Beim vorletzten Ortswechsel haben Liona und Mama Oktavia beim Einzug erklärt, dass ihnen das Haus abgebrannt ist und sie hier in der neuen Stadt endlich ein gutes, gleichwertiges Haus gefunden haben. (Oktavia hat dann schnell dafür gesorgt, dass das alte Haus tatsächlich ein bisschen abgebrannt ist – aber wirklich nur ein bisschen, keine Sorge! Und das auch erst, nachdem Liona und Oktavia alle ihre Sachen aus dem Haus geräumt hatten. Doch das ist später zum Glück nie jemandem aufgefallen.)
Bis Oktavia und Liona dann das letzte Mal umziehenmussten. Aus dem gleichen unangenehmen Grund wie alle Male zuvor. Und auch dieses Mal mussten sich Liona und ihre Mama für ihren neuen Wohnsitz eine gute Ausrede einfallen lassen. Aber weil Oktavia gerade schlechte Laune gehabt hatte, hatte sie sich keine große Mühe gemacht. Kater Kalle hatte nämlich zum ersten Mal damit gedroht, in Umzugsstreik zu treten – weil ihm die dauernden Ortswechsel allmählich auf die Barthaare gehen. (Katzen mögen keine großen Veränderungen.) Was Oktavia verständlicherweise nicht erfreut hat.
Oktavia hatte also wegen Kalles Rumgezicke nur kurzerhand und ohne viel Fantasie behauptet, dass sie einfach einen größeren Garten gewollt habe. Und wieder hattensie Glück, denn die Einwohner von Hennerswalde glaubten auch dies. (Ihr seht also, beim Erfinden von Ausreden braucht man sich meistens nicht mal allzu große Mühe zu geben.)
Und einen großen Garten, den haben Liona und ihre Mama Oktavia und Kater Kalle nun wirklich. Einen so großen Garten, wie man ihn sich nur wünschen kann!
Mit riesigen Bäumen, die sich bestimmt großartig zum Baumhausbauen eignen. Mit einem kleinen Bach ganz hinten am Zaun. Mit bunten Obstbäumen und prächtigen Blumenbeeten. Und mit einem kleinen Goldfischteich, vor dem Kater Kalle jetzt jeden Morgen zwei Stunden lang sitzt und mit starrem Blick die Fische fixiert. Ähm, nein, Entschuldigung, wo er mit den Fischen meditiert .
Und sogar eine Schaukel hat der Garten. Mit langen, langen Seilen, die an einem dicken Ast einer alten Eiche hängen.
Die Schaukel gefällt Liona besonders gut. Hier sitzt sie am Nachmittag nach der Schule und denkt ein bisschen nach rechts. (Dort steht ein Apfelbaum, den man fast mit der Zehenspitze anstupsen kann, wenn man besonders doll schaukelt.) Dann denkt Liona ein bisschen nach links. (Wo eine weite Rasenfläche ist, auf der man toll spielenund toben könnte. Zumindest, wenn man jemanden zum Spielen und Toben hätte.) Und dann denkt Liona noch so ein wenig rundherum und nach oben und nach unten und überhaupt.
Und dann fällt meistens Duffy aus den Wolken. Das ist ein Glück, denn sonst wäre Liona den restlichen Nachmittag auch noch allein gewesen.
„Au!! Wau!“, sagt Duffy, als er mit seinem weißen, wolligen Hintern etwas unsanft auf dem Gras landet.
Da muss Liona schon das erste Mal lachen. Duffy ist so lieb und lustig, dass er Liona immer zum Lachen bringt.
Natürlich hat Duffy sich nicht wirklich wehgetan. Er ist das Heruntersegeln auf die Erde ja gewohnt. Er ist sogar richtig froh, wieder auf festem Boden zu stehen. Es ist manchmal etwas langweilig, den ganzen Tag lang nicht da zu sein.
Aber jetzt ist er da. Und kann mit Liona spielen.
„Wau-wau-wuff!“, macht Duffy
Weitere Kostenlose Bücher