Operation Glueckskeks
bringen.
Dank Malwina riecht meine Wohnung jeden Donnerstag wie ein Schwimmbad. Mein Ofen sieht wieder fabrikneu aus. Das Wort »Staub« darf nicht mal mehr geflüstert werden.
Malwina und ich haben uns seit vielen Monaten nicht mehr gesehen. Wir kommunizieren über hellblaue Karteikarten, die sie mir auf den Nachttisch legt. Nachrichten, in denen sie mich immer mit einer asiatisch klingenden Verkürzung meines Nachnamens anredet. »Lieber Pian, kauf Mülltüten, die sind alle!«, steht da zum Beispiel drauf. Oder: »Hallo Pian, Pullover habe ich auch gewaschen.« An diesen Tag erinnere ich mich genau, denn seitdem passen meine Lambswool-Pullis meinem fünfjährigen Patenkind. Oder: »Pian! Dein Besen ist schlecht. Und kauf neuen Staubsauger. Der alte ist alt.« Der alte ist alt - was kann man gegen so einen Satz einwenden?
Malwina putzt mit Chemikalien, die wahrscheinlich illegal sind und aus Restbeständen der Nationalen Volksarmee stammen.
Eine gute Putzfrau, das ist ein Katapult ins Glück. Malwinas Nummer gebe ich nur engsten Freunden. Eine gute Putzfrau zu haben, das bedeutet die Rückeroberung des Samstagnachmittags - keine Stunden mehr im Bad auf den Knien, shoppen statt schrubben, in der Badewanne liegen statt bohnern.
Illu. 14
Ich weiß, für solche Sätze komme ich in die speziell hochtemperierte Yuppie-Hölle. Aber die Wahrheit ist es trotzdem. Womit wir beim Kern des Problems angekommen sind - dem schlechten Gewissen von Leuten, die eine Putzfrau beschäftigen. Tief im Inneren weiß jeder, der das tut, dass er so nie werden wollte. Ein Putzfrauen-Beschäftiger. Ein Fremde-Leute-hinter-sich-her-wienern-Lasser.
Man hat immer gedacht, dass nur Baumwollplantagenbetreiber in Südstaatendramen eine Putzfrau haben oder vielleicht noch Gutsbesitzer aus der Uckermark.
Man gehört jetzt offiziell zu den Bösen, und dagegen hilft nur eins: einschleimen bei der Putzfrau. Bei mir bedeutet das: Ich wische das Bad einmal oberflächlich, bevor Malwina kommt, die Fenster macht ein Mann, den ich nebenher beschäftige.
Schlimmer, als eine Putzfrau zu haben, ist übrigens nur, seiner Putzfrau zu kündigen. Es ist einfach unmöglich. Malwina und ich. Nur der Tod kann uns scheiden, wir gehören für immer zusammen, in guten wie in schlechten Zeiten. Da sieht man über die Holprigkeiten unserer Beziehung gern mal hinweg. Als ich das erste Mal in das von Malwina gewienerte Apartment kam, waren meine Nudelpackungen nach Größe sortiert und nach Herstellern getrennt. Warum war ich da nie selbst draufgekommen? Die gerahmten Fotos auf der Kommode waren nach Alter der abgebildeten Personen geordnet, seitdem steht mein Patenkind ganz links, toter Opa ganz rechts. Dank Malwina haben meine Baggy-Hosen immer eine Konfirmanden-Bügelfalte, und auf eine zerrissene Jeans hat sie mir tatsächlich ungefragt einen Flicken genäht. Auf der Karteikarte, die sie danebengelegt hat, stand: »Pian, Ihre Hose ist wieder gut. Bis nächste Woche.«
So, ich muss jetzt das Bad wischen. Morgen kommt meine Putzfrau.
Für Tommy und Annika: Der Verein der Feiglinge
I ch werde einen Fanclub gründen. Genau das werde ich tun. Das ist die einzig richtige Aktion in diesem Jahr, in dem sie 103 Jahre alt geworden wäre: Astrid Lindgren. Die Pippi-Langstrumpf-Erfinderin, Schwedens Mutter Courage und Superstar, nach der nicht nur zwei Forschungssatelliten (Astrid 1 und Astrid 2), sondern auch ein von den Sowjets entdeckter Asteroid benannt wurde. 90 deutsche Schulen führen ihren Namen im Titel, 70 Bücher hat sie geschrieben, 145 Millionen Mal wurden sie verkauft, in 86 Sprachen übersetzt, sie hat alle Preise gewonnen, von denen man je gehört hat - und alle anderen auch. Man wird ganz bekloppt, so gut ist die Frau. Zwei mal drei macht vier, hoch die Tassen, halten Sie sich fest und schauen Sie genau hin: Hier kommt der Tommy-und-Annika-Fanclub.
Höre ich da enttäuschtes Ausatmen und vereinzelte Pfiffe? Sehe ich da ein müdes Abwinken? Sie müssen ja nicht dazukommen. Sie wären lieber bei den Pippi-Langstrumpf-Fans eingestiegen als bei den Tommys und Annikas, was? Tja, da ist aber leider kein Platz mehr. Der Andrang war einfach zu groß: fette Villa, einen eigenen Affen, der Kinderheim-Beauftragten Prüsseliese entkommen, Polizisten auf Bäume
schmeißen, nicht zur Schule gehen und statt Lohnüberweisung alle halbe Jahre eine Goldkiste vom antiautoritären Inselbesitzer-Vadder. Das Leben als Brausebonbon des freien Willens. Superstark, supercool
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