Operation Glueckskeks
ich?
Versprochen.
Gut.
Achtest du mit 72 auf dein Aussehen?
Jetzt mach mal einen Punkt. Ich achte auf mein Aussehen wie früher, ich habe letzte Woche goldene Ballerinas zum Turnen angehabt, da hat eine Turnschwester gefragt, ob ich mit denen einen Mann aufreißen will. Was für ein garstiger Kommentar, ich habe einfach noch nicht nachgelassen. Das fand ich von meiner Turnschwester sehr ungezogen. Der werde ich beim nächsten Mal eins überbraten, mit Worten, meine ich.
Heute leben viele Menschen alleine, die Liebe scheint schwer zu finden zu sein.
Wir leben in egoistischen Zeiten, in der jeder vor allem auf sich achtet. Dabei hat uns der liebe Gott so gemacht, dass wir einander suchen und brauchen.
Warum leben dann so viele alleine?
Früher haben wir uns einfach noch mehr im Alltag gebraucht, heute kann man vieles mit Geld regeln. Eigentlich schade. Aber es bedeutet auch Freiheit. Ich wohne seit 15 Jahren alleine und weiß, wie das läuft.
Wärst du gern noch mal 17?
Nein. Die guten Sachen würden durch Wiederholung fad, die schlechten … da bin ich froh, dass sie vorbei sind.
Spürst du das Älterwerden?
Mit 72 braucht man Ruhepausen, und ich finde, ich bin immer noch ziemlich ausgebucht. Kirchenchor, Turnen, drei Enkel, ich helfe in der Krankenhausbibliothek und hier in der Kirchengemeinde, flupp, so ist der Tag um. Aber lass uns mal zu den Glücksmomenten zurückkehren.
Gern.
Ich liege im Sommer gern im Garten und gucke in die Bäume. Das ist für mich das Paradies. Und gönne mir, auch wenn ich nicht viel Geld habe, kleine Dinge. Ich habe mir vor einer Woche
drei Perlenketten gekauft, die sehen topp aus, und ich kann sie sehr gut tragen. Wart mal (holt Perlenketten ans Telefon). Die hier ist mit schwarzen Perlen, und diese hier ist lachsfarben. Zur Bluse, zum Pullover, todschick. Deine Mutter hat einfach Geschmack.
Du bist 72, Witwe, wirst du dich noch einmal in einen Mann verlieben?
Die Hoffnung gebe ich nicht auf. Ich mache mir da aber auch keine Illusionen. Aber wenn der richtige Typ einem über den Weg läuft, dann ist es egal, dann setzt der Verstand aus, dann deckt man das mit der Liebe zu. Auch wenn er kleiner ist als ich, der Mann, meine ich.
Hast du ein Lebensmotto?
Ich kann zwei Tage jaulen, wenn ich unglücklich bin, mich verkriechen, aber dann sage ich mir: Helga, jetzt muss was passieren. Dann muss man die Dinge ändern.
Die Brüder und ich haben dir ja ein Handy schenken wollen, einen Computer, du willst davon nix wissen …
Wozu brauche ich das Handy? Ich bin ja oft zu Hause, wo schon ein Telefon steht. Außerdem habe ich einen Anrufbeantworter. Und Computer, was soll ich sagen? Also, ich habe ja einen Kursus gemacht für Computer, aber man muss sich nur einmal vertippen, da wird mir angst und bange. Na ja, notfalls drücke ich oben links auf Esprit.
Die Taste heißt Escape.
Außerdem ist Freunde zu treffen schöner, als am Computer zu sitzen.
Da hast du wohl recht. Muss ich Angst vorm Altwerden haben?
Man kann immer vor allem Angst haben, York, sieh es mal so: Es bleibt immer aufregend. Meine Mutter ist einfach auf der Straße umgekippt, ihr Leben war mit einem Mal vorbei. Nein, du musst keine Angst haben.
Gibt es einen Wunsch für die nächsten Jahre?
Ich war in Rom und Florenz, da habe ich vielleicht schon die schönsten Orte auf der Welt gesehen. Ich wünsche mir eine nette Freundin zu finden, mit der man was unternehmen kann. Rad fahren, verreisen, Theater, Konzert, solche Sachen. Kann man alles alleine machen, zu zweit ist es schöner. Ach, ich altes Geschwader, du junger Hüpfer (lacht). Noch ein Glücksmoment: Spät schlafen gehen nach langem Fernsehabend, mitten in der Woche, das finde ich toll, und vor allem im Bett lange lesen. Freiheit ist das. Und als Schlummertrunk ein Glas Rotwein, warm gemacht mit etwas Vanillezucker, dann vertrage ich ihn besser. Dein Bruder, der Weinkenner, findet das ja ein bisschen blöd.
Du machst das trotzdem weiter so?
Auf jeden Fall.
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