Optimum - Kalte Spuren
als die ersten Schüler aufstanden und in Richtung der Treppe gingen, erhob sich Frau Friebe schwerfällig von ihrem Platz und räusperte sich.
»Ich weiß, ihr seid alle betroffen über Herrn Röhlings Unfall. Aber ich bin mir sicher, er ist in guten Händen und wird sich schnell wieder erholen. Wir haben noch über eine Woche wunderbaren Skiurlaub vor uns, und den wollen wir uns doch nicht vermiesen lassen, oder?« Ihre Stimme hatte diesen gutmütigen Tonfall angenommen, den Lehrer oft kleinen Kindern gegenüber anschlugen, und offensichtlich fühlte sich nicht nur Eliza davon genervt. Sie sah einige Schüler, die die Augen verdrehten, und ein paar lachten auch höhnisch auf.
»Herr Muhlmann hat mir das Programm für die nächsten Tage hiergelassen«, fuhr Frau Friebe fort, als habe sie nichts gehört. »Sieht so aus, als wollten wir morgen noch einmal auf die Piste, um dann am Nachmittag ein kleines Fest zu feiern. Dafür brauchen wir ein paar Leute, die Kuchen backen können. Wer von euch kriegt das hin?« Sie sah sich hoffnungsvoll im Raum um, und ihre Gesichtszüge entglitten ihr ein wenig, als sie überall nur auf verschlossene Mienen stieß.
»Können wir nicht einfach wieder nach Hause fahren?«, wollte eine der jüngeren Schülerinnen wissen. »Hier geht doch wirklich alles schief. Und wenn wir nicht bald fahren, sind wir eingeschneit.« Sie gestikulierte in Richtung Fenster, vor dem immer noch dicke Flocken herabsegelten.
»Ich habe auch keine besondere Lust mehr«, warf Sarah ein. »Ich dachte, das hier soll Spaß machen, aber wenn die Duschen nicht funktionieren und ständig irgendwelche Unfälle passieren …«
»Es ist, als treibt hier jemand seine blöden Scherze mit uns«, fügte Vanessa hinzu. »Was soll das Ganze? Ist das ein abgekartetes Spiel?«
Oha, dachte Eliza. Wir sind nicht die Einzigen, denen der Gedanke gekommen ist. Sie sah zu Vanessa hinüber, die nun nach Bestätigung suchend durch das Zimmer blickte. Auf ein paar Gesichtern las Eliza Zustimmung, die meisten wirkten jedoch nur verwirrt.
»Ihr habt doch einfach nur Schiss, hierzubleiben.« Eliza konnte nicht sehen, wer das gerufen hatte, aber der Stimme nach war es einer der jüngeren Jungs. »Ihr solltet euch schämen. Immerhin seid ihr die Großen .« Seine Stimme troff vor Sarkasmus.
»Bitte, keinen Streit …« , begann Frau Friebe, aber niemand hörte ihr mehr zu. Torben war aufgesprungen, und auch Robin war auf den Füßen.
»Tut ja nicht so, als wärt ihr was Besseres!«, fauchte Torben.
»Ja, ich kann das nicht mehr hören, diese Angeberei.« Sarah stand ebenfalls auf und trat neben Torben. Zu ihrer Überraschung sah Eliza, wie Sarah nach seiner Hand griff und Torben sie festhielt. Vor einer Woche noch wäre ich jetzt am Boden zerstört gewesen. Jetzt allerdings merkte sie, dass sie Sarah und Torben völlig unbeteiligt betrachten konnte, wie ein Pärchen aus einem besonders netten Liebesfilm. Die beiden passen auch zusammen. Sie sind beide arrogant. Eliza musste ein Kichern unterdrücken und sah schnell weg. Ihr Blick begegnete dem Ricas. Ihre Freundin sah einen Moment lang besorgt aus, aber als sie bemerkte, dass Eliza ganz entspannt war, lächelte sie.
»Vielleicht sollten wir etwas tun«, murmelte sie. »Bevor –« Doch sie konnte ihren Satz nicht mehr zu Ende bringen, denn nun sprangen auch einige der jüngeren Schüler auf, darunter auch Michelle Kaltenbrunn.
»Wir haben keine Angst vor euch!«, rief ein schlaksiger Junge mit feuerrotem Haar.
»Tatsache, Streichholz?«, höhnte Torben zurück. »Darf ich dich daran erinnern, dass ich ungefähr doppelt so groß bin wie du?«
Der Junge wurde mindestens genauso rot wie seine Haare und ballte die Fäuste. Aber gleich darauf schien er sich ein wenig zu entspannen, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Das werden wir ja noch sehen.« Es war mehr ein Flüstern, doch inzwischen war es im Aufenthaltsraum so still geworden, dass Eliza jedes Wort verstehen konnte. Der rothaarige Junge drehte sich zu seinen Mitschülern um und begann, mit ihnen zu flüstern. Torben sah sich rasch um und winkte sich ebenfalls Unterstützung heran. Vanessa, Sarah, Tim und Kai und ein sehr zögerlicher Robin traten an seine Seite. Offensichtlich rechneten sie mit allem Möglichen, fühlten sich aber nicht besonders eingeschüchtert. Noch standen sie relaxt und mit überlegenem Lächeln da und sahen zu den jüngern Schülern hinüber.
»Lass uns hier verschwinden!« Zuerst glaubte
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