Orchideenhaus
widersprechen.
Alicia bestand darauf, dass Julia sich aufs Sofa setzte, während sie selbst den Kamin anzündete und die soeben erworbenen Vorräte einräumte. Ausnahmsweise hatte Julia nichts dagegen, bemuttert zu werden, denn die Fahrt war anstrengend gewesen, und die Rückkehr nach Wharton Park sowie die Begegnung mit Kit hatten sie verunsichert.
Alicia kam mit einem Tablett aus der Küche, das sie vor
Julia abstellte. »Ich hab dir Suppe gekocht. Bitte iss sie.« Sie nahm den braunen Umschlag von dem Beistelltischchen, auf das Julia ihn gelegt hatte: »Darf ich?«, fragte sie.
»Klar.«
Alicia zog die Aquarelle eines nach dem anderen aus dem Kuvert und betrachtete sie. »Hübsch. Das perfekte Geschenk für Dad.Willst du sie rahmen lassen?«
»Wenn das in der kurzen Zeit geht, ja.«
»Du kommst doch nächsten Sonntagmittag zu seinem Geburtstagsessen, oder?«
Julia nickte zögernd und nahm den Suppenlöffel in die Hand.
»Ich weiß, dass du im Moment keine Lust auf große Familienzusammenkünfte hast, aber alle freuen sich darauf, dich zu sehen. Und Dad wäre todtraurig, wenn du nicht auftauchen würdest.«
»Ich komme schon, keine Sorge.«
»Gut.« Alicia sah auf ihre Uhr. »Ich fahr jetzt mal lieber heim ins Irrenhaus.« Sie verdrehte die Augen und drückte Julias Schulter. »Kann ich sonst noch was für dich tun?«
»Nein, danke.«
»Gut.« Alicia gab Julia einen Kuss auf die Stirn. »Bitte melde dich und vergiss nicht, dein Handy eingeschaltet zu lassen. Ich mache mir Sorgen um dich.«
»Die Verbindung ist hier ziemlich schlecht«, sagte Julia. »Aber ich lasse es an.« Sie sah Alicia nach, wie sie zur Tür ging. »Und danke. Danke, dass du mich nach Wharton Park mitgenommen hast.«
»Gern geschehen. Ruf mich an, wenn du was brauchst. Pass auf dich auf, Julia.« Und schon fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
Julia fühlte sich müde und lethargisch. Ohne die Suppe
auszulöffeln, trottete sie die Treppe hinauf und setzte sich, die Hände im Schoß gefaltet, aufs Bett.
Ich möchte kein normales Leben mehr, sondern leiden wie sie. Wo auch immer sie sein mögen – wenigstens sind sie zusammen, und ich bin hier allein, wo ich weder richtig leben noch sterben kann. Alle wollen, dass ich mich fürs Leben entscheide, aber wenn ich das tue, muss ich sie loslassen. Und das kann ich nicht. Noch nicht …
3
Am folgenden Sonntag scheuchte Alicia ihre Familie um zwei Minuten vor eins ins Wohnzimmer.
»Lissy-Schatz, ein Schlückchen Wein?«, fragte ihr Mann Max, drückte ihr ein Glas in die Hand und küsste sie auf die Wange.
»Rose, schalt sofort den iPod aus!«, herrschte Alicia ihre dreizehnjährige Tochter an, die mit mürrischem Gesicht auf dem Sofa lümmelte. »Und das gilt für euch alle: Benehmt euch!« Alicia setzte sich aufs Kamingitter und nahm einen großen Schluck Wein.
Kate, ihre hübsche, blonde, achtjährige Tochter, schmiegte sich an sie. »Mummy, gefällt dir, was ich anhabe?«, fragte sie.
Erst jetzt bemerkte Alicia die gewagte Zusammenstellung aus grellpinkfarbenem Top, gelbem Tupfenrock und türkisfarbener Strumpfhose. Leider war es zu spät, noch etwas daran zu ändern, denn Alicia sah bereits den Wagen ihres Vaters in der Auffahrt.
»Opa ist da!«, rief James, ihr sechsjähriger Sohn.
»Holen wir ihn«, kreischte Fred, der Vierjährige, und machte sich auf den Weg zur Tür.
Alicia beobachtete erfreut, wie die anderen ihm folgten und zum Wagen hinausliefen.
Wenige Sekunden später zerrten sie George Forrester ins Wohnzimmer. Mit seinen fünfundsechzig Jahren war er nach wie vor schlank und attraktiv. Er hatte volles, an den Schläfen ergrauendes Haar und strahlte Autorität und Selbstbewusstsein aus, weil er es gewöhnt war, vor Publikum zu sprechen.
Als berühmter Professor der Botanik an der University of East Anglia hielt er regelmäßig Vorträge vor der Royal Society of Horticulture und in Kew. Dazwischen reiste er in entlegene Erdgegenden, um neue Pflanzenarten zu erforschen. Dabei, sagte er selbst, fühle er sich am wohlsten.
George erzählte seinen Töchtern gern, dass er in der Erwartung zu den Gewächshäusern von Wharton Park gereist war, von deren berühmter Orchideensammlung überwältigt zu werden, sich stattdessen jedoch Hals über Kopf in die junge Schönheit dort verliebt hatte, die seine Frau und die Mutter seiner beiden Töchter werden sollte. Schon wenige Monate später hatten sie den Bund fürs Leben geschlossen.
»Hallo, Liebes«, begrüßte
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