Papa ante Palma
die Wurst millimetergenau auf die
Brotkante zu, versah seine Lebensmittel im Kühlschrank mit Aufklebern und
sprach, wenn überhaupt, nur in Fußballerzitaten. Erkundigte ich mich nach dem
Stand seiner Arbeit, sagte er zum Beispiel: »Zu fünfzig Prozent haben wir es
geschafft, aber die halbe Miete ist das noch nicht.« Fragte ich dagegen nach
seinem nächsten Kurztrip, lautete die Antwort selbstverständlich: »Mailand oder
Madrid, Hauptsache Italien.«
Ich war also mit einem Außerirdischen in eine WG gezogen. Jetzt brauchte ich nur noch einen
Job. Beim Arbeitsamt teilte mir die zuständige Sachbearbeiterin mit, dass sie
sich nicht in der Lage sehe, mich trotz meiner sehr respektablen
Universitätsabschlüsse zu vermitteln.
»Neeeh, dat glöv isch nit, dot se do jet krijen.
Wat könne se denn noch?«, fragte sie.
»Musizieren und Spanisch.«
»Spanisch? Mommänsche mo! Do hat isch jet!« Die
Frau zog eine Karteikarte aus einem der vielen Plastikkästen auf ihrem
Schreibtisch. »He isset, Sekretärin beim Deutsch-Spanischen Funkhaus!«
»Sekretärin?«, wiederholte ich ungläubig.
»Für vier Monate, rischtisch. Heh steht et: nur
mit Spanischkenntnissen! Und? Wär dat wat?« Die Frau sah mich lange an und
tippte mit drei Fingern im Galopp auf die laminierte Tischplatte.
Selbstverständlich würde ich ihn nur annehmen, um
mir finanziell ein bisschen Luft zu verschaffen, bis ich etwas anderes gefunden
hatte. »Dat wär wat«, sagte ich, nahm die Karteikarte mit der Adresse samt
Ansprechpartner und ging.
Als ich noch am selben Tag das vielstöckige
Gebäude des Funkhauses im Kölner Süden betrat, wusste ich natürlich nicht, dass
ich gleich hinter der ersten Tür, an die ich im vierzehnten Stock klopfte, die
Mutter meiner ungeborenen Kinder treffen würde. Das wusste ich allein deshalb
nicht, weil meiner Überzeugung nach die Mutter meiner ungeborenen Kinder Katrin
hieß, gerade fünfzig Kilometer weiter westlich in einer Schule unterrichtete und
ganz nebenbei seit acht Jahren mit mir zusammen war. Die kleine Beziehungskrise,
bei der es um Katrins drängenden, für mich dagegen eher unpassenden Kinderwunsch
ging, würden wir sicher überstehen, wie so vieles andere zuvor. Davon war ich
überzeugt.
Auf der Suche nach dem Büro eines gewissen Herrn
Nada, mit dem ich die Einstellungsformalitäten zu klären hatte, klopfte ich also
sachte an.
Die Tür öffnete sich prompt, und ein kleiner Kopf
schaute heraus, das Gesicht von der gleichen Mischung aus Genervtheit und
Neugier gezeichnet, die man sonst nur von Backenhörnchen im Wildpark kennt. Die
junge Frau hatte einen riesigen Kopfhörer auf. Einer von diesen alten grauen,
die auf Flohmärkten zwischen ausgemusterten Kindergummistiefeln, Feldstechern
und benutzten Pfeifenköpfen liegen.
»Ja?«, sagte sie viel zu laut.
»Ich …« Mein Gott, was hat sie bloß für
Augen. »Ich, äh …« Sie leuchten in allen Schattierungen eines kanadischen
Herbstwaldes. Von grün über ocker bis zu einem hellen Rotbraun.
»Ja?«, wiederholte sie und klappte eine der
Ohrmuscheln nach oben.
»Ich suche jemanden«, stammelte ich. Ihr Mund ist
sinnlich, irgendwie frech, und hebt sich von den strengen hohen Wangenknochen
ab, die ihr etwas von einer russischen Ballerina geben.
»Ja und wen?«
»Na, Herrn Nada.« Ihre Augenbrauen sind derart
geschwungen, dass ihr Gesichtsausdruck wie eine permanente Frage an die Welt
wirkt. »Ich soll mich da vorstellen.« Mein Gott, wenn sie die Tür doch nur ein
kleines bisschen weiter öffnen würde, damit ich sehen könnte, ob untenherum
irgendeine böse Überraschung auf mich wartet.
»Hm, dann komm mal mit.« Sie legte den Kopfhörer
ab und trat auf den Gang hinaus.
Kleine, feste Brüste und ein perfekter Apfelpo.
Hart, aber nicht flach. Viel zu perfekt für mich. Und zu anstrengend. Bei dieser
Frau muss ein Mann sicher gegen Heerscharen von Verehrern ankämpfen, die
vermutlich riesige Herzen aus roten Rosen vor ihrem Balkon ablegen, mit ihr im
Hubschrauber über die Ardennen fliegen oder sie mit ans Set nehmen. He, was
sollen diese Spekulationen?, ermahnte ich mich. Ich war schließlich
vergeben.
Sie führte mich durch die verwinkelten Gänge der
Redaktion bis zu einem Büro, auf dem »F. Nada – Chefredakteur« stand.
Artig wie ein Schuljunge war ich ihr gefolgt und dank ihr schon vor dem Gespräch
mit diesem Herrn Nada leicht verwirrt. Die Tür stand offen, hinter dem
Schreibtisch saß ein freundlich wirkender, glatzköpfiger
Weitere Kostenlose Bücher