Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
Champagnerflöten, und diese Anwesenden hätte es ebenso wie Smith umgehauen zu erfahren, daß irgendwo in dem riesigen Zeltdorf wirklich und wahrhaftig Tennis gespielt wurde; echte Partien mit »wolligen Bällchen«, wie mein Cricketlehrer in der Schule sie immer verächtlich beschrieb.
Ich habe nicht die Absicht, hier das übliche Gestöhn derer zu wiederholen, die Massenveranstaltungen vulgär und erniedrigend finden, zu dem Thema ist genug Tinte vergossen worden. Ich möchte vielmehr darauf hinaus, daß ich an jenem Nachmittag diese Anekdote um F. E. Smith einem Begleiter erzählte, und der erwiderte: »Ja, aber es war Churchill, nicht wahr? So habe ich sie jedenfalls gehört.«
Ich stähle mich bereits in Erwartung der bevorstehenden, atemverschlagenden Flutwelle von Leserbriefen, die mich darüber in Kenntnis setzen werden, daß der fragliche Gentleman weder Churchill noch Smith hieß, sondern inWirklichkeit Sir Thomas Beecham oder »mein Onkel, der verstorbene Dekan von St Paul’s« oder der vierte Herzog von Bassingbourne oder Joad oder Porson oder Mark Aurel oder Jael, Weib des Heber. Das ist das Problem, wenn man seine »Bonmottenkiste« öffnet, wie Disraeli das nannte. War doch Disraeli, oder? Oder Dr Johnson oder Sidney Smith? Anekdoten lagern sich anscheinend an ganz erlesenen Besetzungen ab. Wenn im Mittelalter die Milch sauer wurde oder der Schornstein Feuer fing, war erst einmal immer Robin Goodfellow schuld, der dann später als Puck Weltruhm erlangte. Man kann Leute bekanntlich in den Schmutz ziehen, anscheinend aber auch in die Sahne. Sam Goldwyn, Dorothy Parker und Groucho Marx auf der anderen Seite des Atlantik, Churchill, Wilde, Shaw und Coward auf dieser; ihnen allen werden die Aphorismen anderer Leute in den Mund geschoben, einfach weil es leichter ist, sie Berühmtheiten zuzuschreiben als Unbekannten.
Aber wo sind die Epigrammatiker unserer Tage? Wenn man eine Schote erzählen möchte, die sich um einen Computer und einen Post-it-Zettel dreht, kann man sie schwerlich Mark Twain unter den Fußabtreter schieben, oder? Ich finde, man sollte einen modernen Causeur nominieren, dessen Pflicht es wäre, das Verdienst für all die anonymen Sentenzen und herrenlosen Sprüche einzuheimsen, die im modernen Leben so ausgespuckt werden. Ein solcher Mensch sollte kein Politiker sein, glaube ich. Wenn man bedenkt, daß der brillanteste Lacherfolg in der Parlamentsgeschichte der letzten zwanzig Jahre Denis Healeys Bemerkung war, wie er von einem toten Schaf angefallen wurde, wird deutlich, daß das Unterhaus offensichtlich keine Fundgrube für Esprit mehr ist. Ich finde, wir sollten unseren neuen Spaßvogel ehrenhalber auf aleatorische Weise wählen. Einfach nach dem Zufallsprinzip, sagen wir, Ian McCaskill, den beliebten und charmanten Mann vom Wetterbericht. »Hat IanMcCaskill nicht mal gesagt …«, könnte man etwa eine Konversation beginnen. »Ja, ganz gut, wie McCaskill mal über Cajunküche urteilte, aber nicht so, daß man deshalb gleich nach Hause faxen müßte.«
Ich glaube, das wird ein Heidenspaß. Was mich an einen herrlichen Aphorismus erinnert, den McCaskill mal in einem Gespräch über klassische Musik brachte. »Die ist schon klasse«, meinte er bei einem Brandy Sour, »aber diese Paukenschlag-Sinfonie macht doch einen Haydnlärm.« Welch ein Mann.
Der Stoff, aus dem die Träume sind
Heute spiele ich Auslandskorrespondent. Das Schicksal hat mich wie den Prinzen aus Zamunda in die Badlands von Los Angeles in Kalifornien geführt. Die Menschen im Hotel, auf dessen hellem Balkon ich diese wenigen stockenden Worte schreibe, spazieren über die Avenue of the Stars, ganz in der Nähe liegen der Santa Monica Boulevard und Constellation. Es fällt schwer, nicht immerzu mit diesen herrlich klingenden Straßennamen, und noch schwerer, nicht immerzu mit den großen Illusionen um sich zu werfen, die hier, auf Gottes kleinem Acker, verfilmt worden sind. Ich stelle mir daher heute die Aufgabe, sämtliche Filmtitel in diesen kleinen Bericht hineinzuschreiben, die mir nur einfallen; Ihre Aufgabe besteht darin, sie in der (zwangsläufig) ziemlich ausgedörrten Prosa des Folgenden wiederzufinden. Vielleicht kein umwerfend faszinierendes Tagesprogramm, aber wenn man während der unglaublichen Reise zur Arbeit zehn Minuten totschlagen will, ist es auch nicht schädlicher, als wenn Sie das Geheimnis der Agatha Christie und ihrer Buchtitel raten oder Satellitenschüsselnzählen. Sie brauchen einen
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