Patrick: Eine finstere Erzählung
Nachbarn und ihre direkt an das kleine Grundstück Siljas grenzende Bauten.
Vor dem zweistöckigen Bauernhaus standen zwei Container, die nahezu leer waren und so weit auseinander standen, dass Silja ihren Wagen zwischen ihnen parken konnte. Während der Eingang ins Haus an seiner rechten Seite war, was ich bisher noch nicht sehen konnte, begrüßte mich vorn ein Scheunentor, hinter dem der ehemalige Besitzer in einem Stall Kühe gemolken hatte (mit einer Maschine, die wir in Teilen noch am selben Tag in einen der Container entsorgen sollten), über dem ein Schild angebracht war, das den Besucher wissen ließ, wie alt das Gemäuer war. Ich erfuhr später, dass das Haus unter Denkmalschutz stand, auch wenn der letzte Bewohner ein Messie mit siebzehn Katzen gewesen war, der die Zimmer so verwahrlosen ließ, wie sie jetzt renoviert werden müssen.
Zum Nachbarzaun waren es kaum fünf Meter, als wir rechts um die Ecke bogen, und ein kleiner Weg führte zu einem provisorischen Zaun, dessen Pforte mit Geschenkband an das andere, im Boden feste Stück gebunden war. Dahinter standen Arne und Koko, in ein Gespräch versunken, das bestimmt vom Herrichten des Bauernhauses handelte, welches sie unterbrachen, sobald sie uns sahen (wie ich später feststellte, handelte nahezu jedes Gespräch mit den Nachbarn vom Bauernhof und dem Leben auf dem Lande; vielleicht ist das anders bei denen, die dort leben und nicht nur heraus fahren, um von ihrem Alltag abzuschalten). Ich wurde vorgestellt, auch wenn ich Arne schon aus dem UKE kannte. Ich hatte nämlich das Vergnügen gehabt, an der Weihnachtsfeier des Instituts für Sexualforschung, das auch 'Jugendsex' durchführte, im letzten Jahr teilzunehmen. Zumindest war mir Arnes Gesicht bekannt, Worte hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht mit ihm gewechselt.
Koko, wie mir bewusst wurde, war Siljas und Arnes Nachbarin, auf deren Grundstück sich auch das Gebäude befand, neben dem der Toilettenwagen und der Bauwagen, in dem ich die Zeit über leben sollte, stand. Auf Kokos Seite mag das Gebäude ein größerer Werkzeugschuppen sein, zu meiner hin erschien es nur als eine vier bis fünf Meter große Mauer, die mich vor fremden Blicken schützte.
Sobald man den schmalen Weg an der rechten Seite des Bauernhauses entlang war, am Bauwagen vorbei, gab es keinen Zaun mehr. Das Nachbargrundstück grenzte nun offen an das, auf dem ich arbeiten sollte. Hinter dem Bauernhaus befand sich zwar eine Wiese (und auf ihr ein einzelner Kirschbaum, unter dem eine Holzbank stand, was ein nahezu klassisch romantisches Gefühl in mir hervor rief), aber auch auf der gegenüberliegenden Seite von Kokos Grundstück stand ein Haus, in dem weitere Nachbarn (in ihrer Freizeit oder darüber hinaus) lebten. Für die nächste Woche war ich also umgeben von Nachbarn (oder eingezwängt zwischen Zweien), wie ich es gewohnt war von den Wohnhäusern in meiner Stadt. Nur die Ausdehnung an Fläche war eine andere. Jetzt hatte jeder mehrere hundert Quadratmeter Platz und statt Wänden trennten uns nun Zäune voneinander.
Die Wiese breitete sich einen kleinen Hügel hinunter aus bis zu vereinzelten Bäumen, hinter denen ein Zaun die grasenden Pferde von uns trennte. Überall Zäune, außer zum Grundstück von Koko, die in einem (noch größeren als Siljas) Bauernhaus mit ihrem Lebensgefährten Wolf ein Domizil hatte. Soweit ich es mitbekam, diente es nur als Ferienhaus, und in der Stadt führten die beiden ein 'echtes' Leben. Mit ihnen zusammen lebten dort acht Kinder, und Karin, die anscheinend eine Betreuerin für die Kinder war. In einem Gespräch mit Sebastian, einem sechs-jährigen Jungen, der mich, einen Fremden, freimütig auf Kokos gesamtem Hof herum führte ohne dass ein Erwachsener in Sicht war, und der auch dort residierte, fand ich heraus, dass sie Pflegekinder waren. Was das bedeutete, also warum diese Kinder überhaupt einer fremden Pflege bedurften, kann ich nur vage vermuten, was in Spekulationen und damit Fiktion enden würde.
Noch am Tag meiner Ankunft, es war ja erst früher Nachmittag gewesen als ich mit Silja den Bauernhof erreichte, begann ich mit dem, wofür ich hier war: körperliche Arbeit. Im Stall hatten die beiden Restmüll gestapelt und es oblag Arne und mir diesen in den dafür vorgesehenen Container zu bringen. Wir brauchten nicht viele Stunden und der Schweiß nässte mein Gesicht und Haar wie den Rest meines Körpers.
Silja führte mich vor der Aufnahme meiner
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