Patrick: Eine finstere Erzählung
ins Gesicht knipsen ihn aus.
„Wissen Sie nicht, wer das ist?“ Eine Frauenstimme.
„Wer soll das sein? Ein Mörder ist das“, antwortet derjenige in seinem Rücken.
„Das ist Michael Friedrichs.“
„Und wenn es der Papst wäre, Oma, er hat jemanden umgebracht.“
„Das glaube ich nicht.“
„Glauben Sie, was Sie wollen. Wir warten auf die Polizei.“
„Sie sind frech, junger Mann.“
„Und Sie stören unsere Arbeit.“
Michael verlor das Bewusstsein nur für Sekunden. Sein Brustkorb fühlt sich taub an, der Druck auf seinem Körper schmerzt. Seine Wange ist verschrammt, es brennt. Er hustet. Wenn er doch in der Wohnung seiner Tante geblieben wäre, mit Patrizia nackt im Bett, nach dem Liebesspiel, während, noch einmal, vielleicht umsonst, aber sein Glied war schlaff, zu viel des Guten, ihre dunkle Haut so sanft, sie nahm ihn hart.
Michael hustet wieder, bittet darum aufzustehen. Er sieht nur den Boden.
„Das kannste vergessen, Freundchen. Wir warten bis die Polizei da ist.“
„Was ist das?“ fragt eine andere männliche Stimme. Schwere Schritte auf dem Bahnsteig rumpeln durch seinen Körper. Michael stöhnt.
„Das hat er verloren.“ ... „Ein Aktenkoffer?“ ... „Was ist drin?“
Die Schlösser schnappen auf, Michael vergaß die Nummern zu verdrehen oder er hatte keine Zeit. Es ging alles so schnell, der Mann mit den Stahlaugen, er hat gedroht zu schießen. Das möchte er ihnen mitteilen, sagen, dass er unschuldig ist, dass es nicht seine Pistole ist.
„Bilder.“ ... „Was?“ ... „Nur Bilder.“ ... „Was für Bilder?“ ... „Weiß ich nicht, alles Mögliche. Irgendwelche Leute, Häuser.“
„Was bist du?“ fragt der Mann mit dem Knie in seinem Rücken, „Irgendsoein Perverser?“
„Das reicht“, faucht eine Frauenstimme.
„Die Polizei ist da, wurde auch mal Zeit.“
„Was haben wir hier?“ fragt die Unbekannte und lässt sich von dem Sicherheitspersonal eine Version der Geschichte erzählen. Endlich lässt der Druck auf seinem Körper nach, dafür werden Michael Handschellen angelegt. Man achtet darauf, das sein Pflaster sich nicht ablöst. Als er aufstehen darf, sieht er die Menschenmenge. Männer, Frauen, Kinder blicken in sein Gesicht um den Mörder darin zu erkennen. Sie wollen ein Schauspiel, was sie es sonst nur aus dem Fernsehen kennen. Einige sind sichtlich enttäuscht, weil er so normal aussieht. Andere Leute tuscheln über ihn, irgendjemand lacht. Michael blickt nach oben zu der Brücke hinauf, wo die Läden sich nebeneinander reihen. Auch dort Menschen, die ihn beobachten, am Geländer, einige bleiben in ihrer Hektik sogar stehen um sich zu ihresgleichen zu gesellen. Mag sie alle unterschiedliche Verlangen in die Stadt geführt haben, nun sind sie eins in ihrer Neugier. Eine Frau sagt: „Das ist Michael Friedrichs, der ist kein Mörder.“ Er sieht sie nicht.
Die Polizeibeamtin führt ihn ab, während ihr Kollege auf dem Bahnsteig Aussagen aufnimmt. Sie führt ihn die Treppe hoch, vorbei an der Post und einer Eckkneipe hinaus auf den überdachten Vorplatz, weiter zur Bushaltestelle, Regen prasselt von oben wie ein Richterspruch. Immer wieder bleiben Menschen stehen um ihm hinterher zu sehen. Wieder einer von denen, denken sie, die sich nicht ans Gesetz hielten.
Auf der Polizeiwache bietet man ihm eine Tasse Kaffee an, die Handschellen werden ihm abgenommen.
„Wo ist mein Aktenkoffer?“ fragt er, „Haben Sie ihn?“
„Immer der Reihe nach“, sagt die Beamtin. Ihr Haar trägt sie modisch gestuft, vielleicht gefärbt. Michael findet sie hübsch und das beruhigt ihn. „Ihr Name ist Michael Friedrichs?“
„Ja“, antwortet er und nippt am Kaffee, er ist sehr heiß.
„Sie sind Schriftsteller, nicht wahr? Waren Sie nicht vor ein paar Wochen im Fernsehen?“
„Ja“, sagt er, „Bin ich verhaftet?“
Die Beamtin lächelt, auf einem Namensschild ihres Schreibtisches steht ,Frau Merlinger’.
„Nein“, antwortet sie, „Sie sind nicht verhaftet. Wir haben uns das Video angeschaut, aus dem Raum mit den Schließfächern. Wir wissen, dass Sie bedroht wurden und sich nur gewehrt haben. Wir haben den Unfall gesehen. Es wird also keine Anklage gegen Sie erhoben, auch wenn Sie fliehen wollten, anstatt sich zu erklären.“
„Ich war in Panik“, sagt er und macht einen tiefen Schluck, der Kaffee brennt an seinen Lippen und auf der Zunge, aber es beruhigt.
„Ja, das denken wir uns auch. Aber wenn Sie möchten, dass wir das nicht weiter
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