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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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bereits wieder um Henlein und Hauser. Während er – ebenfalls halb nackt – an seinem Schreibtisch saß und den Computer einschaltete, dachte er nach: Was, fragte er sich, hatte Henlein eigentlich für einen Beruf, der ihm nebenbei noch so viel Zeit für seine Geschichtsforschung ließ? Paul wollte sich bei ihrem nächsten Treffen danach erkundigen.
    Er lud die letzte Speicherkarte des Tages herunter, ging anschließend hinter seine Küchenzeile und holte sich ein dunkles Gutmann-Weizen aus dem Kühlschrank. Ein Blick aufs Sofa verriet ihm, dass Katinka noch immer tief und fest schlief.
    Er ließ das beinahe schwarze Bier in ein Weizenglas fließen. Kurz bevor die Flasche geleert war, schwenkte er sie kräftig, um die verbleibende Hefe vom Boden zu lösen und schenkte sich den Rest ein.
    Normalerweise hätte Paul heute sicherlich einen beschwingten Junggesellen-Samstagabend verbracht. Der begann für gewöhnlich mit einem guten Essen im Goldenen Ritter, dem Lokal seines Freundes Jan-Patrick. Anschließend zog es ihn meistens ins kulturelle Leben der Stadt, wobei er das Gostner Hoftheater dem Staatstheater oftmals vorzog. Oder er fuhr in die Südstadt und hörte sich eine Live-Band im Hirsch an. Neulich war er dort bei einem Konzert von Fischer-Z gewesen – und ein Vergleich mit dem übrigen Publikum um ihn herum hatte ihm klar gemacht, dass er und seine Generation schon lange nicht mehr zur jungen Szene gehörten.
    Heute aber zog ihn nichts aus seiner Wohnung. Er hatte die Stunden mit Katinka genossen. Und nun konnte er sich nichts Schöneres vorstellen, als ihr beim Schlummern zuzusehen und dabei noch ein bisschen zu arbeiten.
    Ja, heute war es ein Leichtes für ihn, den Verführungen eines Abends außer Haus zu widerstehen – sogar Jan-Patricks Einladung zum Essen: Der Koch hatte ihm seine aktuelle Speisekarte aufs Fax gelegt. Paul überflog sie, doch weder die soufflierte Wachtelbrust auf Gemüse-Polenta und Balsamico-Honig-Linsen, noch Saltimbocca vom Zander auf Rucola-Pinien-Risotto in Silvanersauce oder das Kalbsfilet unter Maronen-Nusskruste mit Kräuter-Kartoffel-Gratin und Knoblauchsländer Gemüse konnten ihn locken.
    Noch einmal wanderte sein Blick hinüber zur schlafenden Katinka und ruhte zufrieden auf ihr. Mit seinem Weizenbier in der Hand erhob er sich schließlich und stellte sich vor sein Bücherregal. Paul zog mehrere dickleibige Bände über die fränkische Historie hervor.
    Dann setzte er sich Katinka gegenüber in einen Schwingsessel und vertiefte sich in die Vergangenheit. Er schlug den Namen Hauser nacheinander in allen Büchern nach und wurde mit einer Fülle von Informationen überhäuft.
    Die Stunden verstrichen, und Paul bemühte sich, aus den unübersichtlichen Zeitverläufen der Chroniken zunächst die Mordanschläge auf Kaspar Hauser herauszufiltern. Schließlich schälten sich unter den zahlreichen nicht belegten Vorfällen zwei Attentatsversuche als für ihn glaubhaft heraus, die sich vor dem tödlichen Anschlag in Ansbach zugetragen hatten:
    Im Juni 1829 machte Hauser einen Spaziergang durch die Plattnersanlage am Tiergärtnertor. Aus einem Gebüsch sprang plötzlich ein Mann, warf sich auf den völlig überrumpelten Hauser und versuchte ihn zu würgen. Als Passanten auftauchten, floh der Angreifer.
    Vorfall Nummer zwei ereignete sich am 17. Oktober 1829 und hätte Hauser um ein Haar das Leben gekostet: Zwei dunkel gekleidete Männer drangen in das Haus auf der Hinteren Insel Schütt ein und fügten Hauser mit einem scharfkantigen Gegenstand erhebliche Verletzungen zu, unter anderem eine tiefe Schnittwunde am Kopf. Auch sie konnten unerkannt flüchten. In beiden Fällen wurden die Täter nie ermittelt.
    Paul fielen die Augen zu. Aber er rappelte sich noch einmal auf. Denn er wollte unbedingt mehr über Ritter von Feuerbach erfahren, aus dessen Besitz Henleins Hauser-Hemd ja angeblich stammen sollte.
    Nach längerer Suche hatte er genug Fragmente gesammelt, um sich ein ungefähres Bild von Anselm Ritter von Feuerbach und dessen Rolle im Fall Hauser zu machen:
    Von Feuerbach, Jahrgang 1775, war in seiner Zeit ein berühmter Kriminologe gewesen, bayerischer Staatsrat und Präsident des Appelationsgerichts in Ansbach. Er war außerdem Verfasser der Schrift »Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen«, erschienen 1832. Darin beschrieb er akribisch alle Einzelheiten über das Auftauchen Hausers in Nürnberg. Als Jurist untersuchte er auch die strafrechtlich relevanten

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