Pennäler contra Pauker
Augenblick erreicht, um diese gelehrte Abhandlung abzuschließen. Der geneigte Leser möge jedoch erlauben, daß wir noch einige flüchtige Betrachtungen hinzufügen über die Erziehung junger Menschen an höheren Schulen, dargestellt an besonderen Beispielen.
Fünfter Teil
Wie erziehen wir Männer von Lebensart und Charakter?
Über die Seele des modernen Kindes und
die Reformversuche der Oberschule
Bekanntlich ist die Erziehung neben dem Unterrichten die andere bedeutungsvolle Aufgabe der Pauker. Sie stützt sich auf die Schulordnung, worin der Schüler belehrt wird, was er nicht tun darf und welche Strafen ihm drohen, wenn er es trotzdem tut; weiter, was er zu tun hat und welche Strafe und so weiter, siehe oben. Die erzieherische Tätigkeit der Pädagogen beruht darin, daß sie darüber wachen, daß die Schüler das tun, was sie tun müssen, und nicht tun, was sie nicht tun dürfen.
Da aber die Schulordnung nicht alle ungeahnten Möglichkeiten, die in der reichen Schulpraxis Vorkommen, erschöpfend behandeln kann, sorgt der Lehrkörper durch Rundschreiben und Verordnungen dafür, daß die Schüler genau unterrichtet sind, was sie müssen und was sie nicht dürfen. Mitunter erstrahlt am Erzieherhimmel ein Stern von ungewöhnlichem Licht, der sich bemüht, den Schülern auch die richtigen Grundsätze der Dinge begreiflich zu machen, die sie tun sollen.
Die pädagogischen Ergebnisse jener Ordnungen und Verordnungen sind unstreitig beträchtlich. Durch rechtzeitig erlassene Verbote werden nämlich die Schüler auf Veranstaltungen aufmerksam, die ihnen sonst entgehen würden.
Es ist zum Beispiel eine traurige Erscheinung, daß die heutige Jugend so gar nichts übrig hat für fesselnde erotische Filme mit hinreißenden Titeln wie «Wenn die Leidenschaft dunkel brodelt» oder «Das Geheimnis von Frau Evas Schlafzimmer» und ähnliche schöne Dinge.
Erscheint ein solches Werk im Lichtspieltheater des betreffenden Ortes, bleibt die Schülerschaft den dunklen Leidenschaften gegenüber - mit Ausnahme natürlich der Fußballeidenschaft -kühl bis ins Herz. Es genügt jedoch, daß der Chef ein Rundschreiben in den einzelnen Klassen herumgehen läßt, wonach der Besuch eines bestimmten Films den Schülern der Anstalt strengstens untersagt sei. Besucht am Abend ein eifriger Paukerspion das Kino, erwischt er dort die halbe Quarta, einen ansehnlichen Haufen Tertianer und vielleicht noch den einen oder anderen Sekundaner, der auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe verkümmert ist. Das ist die wohltuende Wirkung des Verbots.
Eine weitere Erziehertat ist die Verfolgung der Missetäter. Es entwickelt sich eine peinliche Untersuchung, und die Strafen werden weise abgestimmt, je nachdem ob der Schüler durch einen sittlich verkommenen Kameraden zu dem Fehltritt verleitet wurde oder ob er aus eigenem Antrieb den dunklen Leidenschaften gefrönt hat.
Dank diesem pädagogischen Vorgehen ist die nächste Filmvorstellung wieder überfüllt. Der Kinobesuch wird zu einem aufregenden Abenteuer. Das Verbot regt auch die Erfindungsgabe der Schüler an, die sich nach dem Verlöschen der Lichter ins Klo einschleichen und sich in der Pause unter den Sitzen verstecken. Es gibt auch Fälle, wo sich Schüler mit Hilfe von Vollbärten maskieren, was besonders Quartanern ein charakteristisches Aussehen verleiht. Man ersieht daraus, wie musterhaft die Erzieher dafür sorgen, das sinkende Interesse der Jugend für erotische Filme anzufachen und zu nähren.
Den Hauptanteil daran hat natürlich jener oben erwähnte eifrige Spion. Das pflegt ein munterer Herr zu sein, der das Schleichen und Auskundschaften als eine erhabene und schöne Aufgabe des Paukerstandes betrachtet. Ebenso unermüdlich pirscht er durch die Korridore, dringt unerwartet in die Klassenzimmer ein, sucht in den Pausen unter den Bänken, ob nicht ein Missetäter darunter verborgen ist, der nicht in den Schulhof hinunter will, und unternimmt Streifzüge im Gebiet des Lokus, wo es immer Beute gibt. Dieser Raum gilt von jeher als der geeignete Ort für eine Art Debattierklub, und es ist verwunderlich, daß selbst an schönen Sommertagen, wenn die Pausen zum Aufenthalt im Schulhof oder -garten verlocken sollten, die Pennäler es nicht an Scharfsinn und Kniffen fehlen lassen, um sich unbemerkt auf den Lokus zu schleichen und dort angenehme zehn Minuten in lieber, anheimelnder Umgebung zu verbringen. Dort werden ernste Zeitprobleme gelöst, Zigaretten geraucht, an den Türbalken der
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