Perfect Copy - Die zweite Schöfung
jemals im Leben bedrückt hatte, in nichts auf.
»Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß das doch.«
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Am ersten Samstag nach den Sommerferien saßen sie zu dritt auf der Terrasse, Cem, Svenja und Wolfgang. Die Bäume und Büsche im Garten waren drastisch zurückgeschnitten worden, sodass so viel Sonne auf das Haus der Wedebergs fiel wie schon lange nicht mehr. Es war kaum wieder zu erkennen.
»Auf deinen Preis«, meinte Wolfgang und prostete Svenja zu.
»Schließe mich an«, nickte auch Cem.
Zwei Tage zuvor waren die Ergebnisse des Mathematikwettbewerbs bekannt gegeben worden. Svenja hatte von allen Teilnehmern im gesamten Schulbezirk als Einzige zwei Aufgaben gelöst und damit einen ansehnlichen Förderpreis gewonnen sowie eine Einladung zu jenem europäischen Kongress der Nachwuchsmathematiker, der kurz vor Weihnachten in Brüssel stattfinden sollte.
»Übernachtung im Vier-Sterne-Hotel, Flug ab Stuttgart, alles inklusive. Die lassen sich das echt was kosten.« Cem wollte die mitgeschickten Prospekte kaum mehr aus der Hand legen. »Wen nimmst du eigentlich mit? Doch nicht etwa diesen Versager hier zu meiner Linken?« Wolfgangs Name war – ebenso wenig wie der Marcos übrigens – auf den Preisträgerlisten nicht aufgetaucht, was hieß, dass er keine einzige Aufgabe gelöst hatte.
»Wie bitte?«, schnaubte Wolfgang. »Du möchtest gern einen Krug Limonade ins Hemd geleert bekommen?«
Svenja schüttelte den Kopf. »Ich geh doch nicht auf einen Mathematikkongress mit jemandem, den Mathe langweilt. Nein, ich lade meinen Vater ein, stell dir vor.«
Cem rutschte ein Stück zurück, weil Wolfgang immer noch wild mit dem Krug umherfuhrwerkte. »Deinen Vater? Das übersteigt meine Vorstellungskraft. Hey!«
»Ich hab dem Rittersbach gleich gesagt, dass Mathematik nichts für mich ist«, meinte Wolfgang, aber dann fiel ihm ein, dass er es ihm eben nicht gesagt, sondern nachgegeben hatte. Er stellte den Krug wieder hin. »Außerdem würde ich dem Mathematiknachwuchs nur die Schau stehlen.«
Svenja warf die Arme in die Höhe. »Hört ihn euch an!« Sie gab Wolfgang einen Knuff in die Seite. »Ganz schön eingebildet, Herr Klon, was?«
In diesem Moment hielt eine große, schwarze Limousine unten vor den Garagen. Drei Männer in grauen Anzügen und mit schwarzen Aktentaschen unter dem Arm stiegen aus. Die Wagentüren fielen mit einem schweren, satten Geräusch ins Schloss.
»Wer ist das?«, fragte Svenja.
»Keine Ahnung«, sagte Wolfgang.
»Wenn das hier ein Film wäre, wären es FBI-Agenten«, unkte Cem.
Wolfgangs Mutter kam heraus, offenbar ebenfalls angelockt von den geheimnisvollen Besuchern, die, ohne zu zögern oder zu fragen einfach das Gartentor öffneten und die Treppen hochgestapft kamen, ihre schwarzen Aktenmappen unter den Armen. »Meinst du, ich soll vorsichtshalber Dr. Lamprecht anrufen?«, fragte sie ihren Sohn halblaut.
Doch da war der erste der Männer, eine magere Gestalt mittleren Alters mit braunen, straff zurückgestriegelten Haaren, schon heran, nickte ihnen zu und sagte kurzatmig: »Wir suchen Herrn Wolfgang Wedeberg.«
Ihm auf dem Fuß folgte ein dicklicher Mann mit fahler Haut, der mit Schweißperlen auf der Stirn hinzufügte: »Wir kommen von der Deutschen Mathematikstiftung.«
Wolfgang und seine Freunde wechselten ungläubige Blicke. Zum einen darüber, dass da jemand war, an dem die entnervend zahllosen Berichte über »den Klon«, auf allen Fernsehkanälen, Zeitungen und Zeitschriften spurlos vorübe r gegangen zu sein schienen, und zum anderen… Mathemati k stiftung ?
»Sie meinen Maitland?«, korrigierte Wolfgang.
»Nein, nein, Wedeberg«, sagte der Magere und sah seine Begleiter Hilfe suchend an. »Der Name war doch Wedeberg, oder?«
»Genau«, nickte der Dritte, breitschultrig und blondgelockt. »Steht unten an der Klingel.«
Wolfgang schüttelte den Kopf. »Das muss ein Irrtum sein. Ich habe nichts mehr mit der Mathematikstiftung zu tun.«
Die drei Männer in den grauen Anzügen, die ihnen bemerkenswert schlecht passten, sahen einander triumphierend an. »Entschuldigen Sie, aber demnach sind Sie Wolfgang Wedeberg?«, vergewisserte sich der Dickliche.
»Wolfgang, jetzt biete den Herren Platz an«, raunte ihm seine Mutter zu. »Ich kann auch Kaffee machen.«
Aber die Herren wollten keinen Kaffee, sondern waren mit einem Glas Sprudel pro Person bereits völlig zufrieden. So saßen sie alle kurz darauf um den Gartentisch herum, den die Besucher nach und nach mit
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