Pern 06 - Der Weisse Drache
ich nicht sagen, daß du ihn sonst nachlässig pflegst. Aber hol ihn besser aus dem Schlamm, sonst war die Mühe vergeblich.«
Jaxom gab den Vorschlag hastig weiter. »Und halt den
Schweif hoch, bis du im Gras stehst, Ruth!« fügte er hinzu.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Jaxom, daß Dorse und seine Kumpel sich aus dem Staub machten, aus Angst, N’ton könnte neue Arbeit für sie finden. Irgendwie war es Jaxom gelungen, seine Schadenfreude zu verbergen, als er Dorse und die anderen beim Eimerschleppen beobachtete. Die Jungen hatten nicht gewagt, dem Drachenreiter zu widersprechen, als er sie in seine Dienste einspannte. Jaxoms Laune war beträchtlich gestiegen, als sie über dem »Winzling«, dem »Bastard«
schwitzten und ihn nicht einmal hänseln konnten, wie sie es 17
sicher geplant hatten. Er war sich im klaren darüber, daß dieser Zustand nicht lange anhalten würde. Aber wenn die Weyrfü hrer von Benden heute zu dem Schluß kamen, daß Ruth kräftig genug zum Fliegen war, dann konnte Jaxom in Zukunft dem Gespött seines Pflegebruders und dessen Freunden auf Drachenschwingen entgehen.
N’ton verschränkte die Arme und über der naßgespritzten Jacke und runzelte leicht die Stirn. »Eigentlich ist Ruth gar nicht richtig weiß.«
Jaxom starrte seinen Drachen ungläubig an. »Nein?«
»Nein. Siehst du die braunen und goldenen Schatten da – und die blaugrün gesprenkelten Flanken?«
»Sie haben recht!« Jaxom riß die Augen auf, erstaunt, daß er etwas völlig Neues an seinem Freund entdeckte. »Vermutlich sieht man die Farben, weil er heute besonders sauber ist und die Sonne so hell scheint.« Es machte ihm Spaß, mit einem verständigen Partner über sein Lieblingsthema zu sprechen.
»Er – scheint alle Drachenfarben in sich zu vereinen«, fuhr N’ton fort. Er strich mit der Hand über Ruths kräftige Schulter und hielt den Kopf schräg, um den muskulösen Rücken zu betrachten. »Schöne Proportionen. Er ist vielleicht kleiner als die anderen Drachen, Jaxom, aber er sieht prächtig aus.«
Jaxom seufzte und wölbte unbewußt die Brust vor, als habe das Lob ihm selbst gegolten.
»Nicht zuviel Fleisch und nicht zu wenig, was, Jaxom?«
N’ton stieß ihn leicht mit dem Ellbogen an und grinste. Wie oft hatte Jaxom den Weyrführer um Hilfe bitten müssen, wenn sein Kleiner wieder einmal an einem verdorbenen Magen litt!
Jaxom hatte irrigerweise angenommen, daß der kleine Drache bald die Größe seiner Geschwister erreichen würde, wenn er nur soviel Futter wie möglich in ihn hineinstopfte. Das Ergebnis war meist katastrophal gewesen.
»Glauben Sie, er ist kräftig genug, mich zu tragen?«
N’ton warf Jaxom einen nachdenklichen Blick zu. »Mal
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überlegen. Im Frühling war er einen Planetenumlauf alt, und nun gehen wir auf die kalte Jahreszeit zu. Die meisten Drachen erreichen ihre volle Größe während des ersten Planetenumlaufs. Ich glaube nicht, daß Ruth in den letzten sechs Monaten auch nur eine halbe Handspanne gewachsen ist. Daraus können wir folgern, daß er seine Entwicklung abgeschlossen hat. Na hör mal!« reagierte N’ton auf Jaxoms traurigen Seufzer. »Er ist um einen halben Kopf größer als jeder Renner, oder nicht? Und die kann man stundenlang reiten, ohne daß sie ermüden. Dazu kommt, daß du nicht gerade ein Schwergewicht bist wie etwa Dorse.«
»Fliegen ist weit anstrengender als Laufen.«
»Sicher, aber Ruths Schwingen sind im Verhältnis zu seinem Körper groß genug …«
»Er ist also ein richtiger Drache, nicht wahr?«
N’ton starrte Jaxom an. Dann legte er dem Jungen beide Hände auf die Schultern. »Ja, Jaxom, Ruth ist ein richtiger Drache, auch wenn er nur halb so groß wirkt wie seine Gefährten.
Und er wird es heute beweisen, wenn du mit ihm aufsteigst.
Los jetzt, bring ihn zurück in die Burg! Du mußt dich noch fein machen, wenn du neben ihm glänzen willst.«
»Komm, Ruth!«
Kann ich nicht in der Sonne bleiben ? entgegnete Ruth, aber er trat gehorsam an die Seite des Freundes und kehrte mit ihm und dem Weyrführer zurück zur Burg.
»Im Hof ist auch Sonne, Ruth«, versicherte Jaxom und legte die Hand leicht auf den Nackenwulst des Drachen. Er bemerkte den blauen Schimmer des Wohlbehagens in Ruths kreisenden Facettenaugen.
Während sie schweigend weitergingen, hob Jaxom den Blick zu der schroffen Klippenwand, die Ruatha beherbergte, den zweitältesten Wohnsitz der Menschen auf Pern. Die Burg unterstand ihm, sobald er großjährig war oder wann
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