Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
sie nicht festsitzen wird?«
Bei dieser Frage, die er an sich selbst richtete, erbleichte der Major.
Mit einer unbeschreiblichen Angst stürzte er zum Tisch und rückte den Spiegel heran, um die Nase nicht schief anzusetzen. Seine Hände zitterten. Ganz vorsichtig hielt er sie an den alten Platz. Oh, Schrecken! Die Nase wollte nicht halten! … Er führte sie an den Mund, erwärmte sie ein wenig mit dem Atem und setzte sie wieder auf die glatte Stelle zwischen seinen Wangen: aber die Nase wollte nicht halten.
»Na, na! Sitz doch, du Dumme!« sagt er zu ihr; die Nase war aber wie hölzern, und wenn sie auf den Tisch fiel, gab es einen seltsamen Ton, als ob es ein Stück Kork wäre. Die Züge Kowaljows verzerrten sich wie im Krampfe. »Wird sie denn nicht anwachsen?« sagte er sich voller Angst. Aber so oft er sie auch an ihren Platz setzte, seine Mühe blieb immer erfolglos.
Er rief Iwan und schickte ihn nach dem Arzt, der in der schönsten Wohnung im ersten Stock des gleichen Hauses wohnte. Der Arzt, ein stattlicher Mann, nannte einen wunderschönen pechschwarzen Backenbart und eine frische, gesunde Gattin sein eigen, pflegte Morgens frische Äpfel zu essen und hielt seinen Mund ungewöhnlich sauber: er spülte ihn jeden Morgen fast dreiviertel Stunden lang und putzte die Zähne mit Bürsten von fünf verschiedenen Sorten. Der Arzt kam augenblicklich. Er erkundigte sich, vor wieviel Tagen das Unglück geschehen, ergriff den Major Kowaljow am Kinn und gab ihm mit dem Daumen einen Nasenstüber auf die Stelle, wo sich früher die Nase befunden hatte, so daß der Major den Kopf in den Nacken warf und ihn ziemlich heftig an die Mauer schlug. Der Medikus erklärte, das habe nichts auf sich; er empfahl ihm, von der Wand wegzurücken und ließ ihn den Kopf erst nach rechts neigen; er betastete die Stelle, wo früher die Nase gesessen hatte, sagte: »Hm!«, ließ ihn dann den Kopf nach links wenden, sagte wieder: »Hm!« und gab ihm zum Schluß wieder einen Nasenstüber mit dem Daumen, so daß der Major Kowaljow den Kopf zurückwarf wie ein Gaul, dem man die Zähne untersucht. Nach dieser Probe schüttelte der Medikus den Kopf und sagte: »Nein, es wird nicht gehen. Bleiben Sie lieber so wie Sie sind, sonst kann es noch schlimmer werden. Die Nase kann man wohl befestigen; ich könnte es sogar jetzt gleich tun, aber ich versichere Ihnen, es wäre für Sie schlimmer.«
»Das ist ja wunderschön! Wie soll ich ohne die Nase leben?« sagte Kowaljow. »Schlimmer als jetzt kann es doch nicht werden. Da soll doch der Teufel dreinfahren! Wo kann ich mich mit einem solchen Pasquillgesicht zeigen? Ich komme in gute Gesellschaft: auch heute abend muß ich zwei Besuche machen. Ich habe viele Bekannte: die Frau Staatsrat Tschechtarjowa, die Frau Stabsoffizier Podtotschina … wenn ich auch mit ihr jetzt nur noch durch Vermittlung der Polizei verkehre. Haben Sie Erbarmen!« fuhr Kowaljow mit flehender Stimme fort: »Gibt es denn kein Mittel? Befestigen Sie sie doch irgendwie, wenn auch nicht gut, daß sie nur irgendwie festsitzt; ich kann sie ja in schwierigen Fällen mit der Hand festhalten. Zudem tanze ich nicht und kann daher keine unvorsichtige Bewegung machen, die schaden könnte. Und was das Honorar für Ihren Besuch betrifft, so seien Sie versichert, daß ich bereit bin, soweit es meine Mittel gestatten …«
»Glauben Sie mir,« sagte der Arzt weder zu laut noch zu leise, doch außerordentlich überzeugend und eindringlich: »ich praktiziere nicht aus Habgier. Ich nehme für die Besuche wohl Geld, aber nur, um niemand durch die Weigerung zu kränken. Gewiß, ich kann Ihnen die Nase wohl ansetzen; aber ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, wenn Sie es mir so nicht glauben wollen, daß es für Sie schlimmer wäre. Verlassen Sie sich auf das Walten der Natur. Waschen Sie die Stelle öfter mit kaltem Wasser, und ich versichere Ihnen, daß Sie dann ohne Nase ebenso gesund sein werden, wie mit der Nase. Ich rate Ihnen, die Nase in Spiritus zu legen, oder, noch besser, zwei Eßlöffel starken Branntwein und warmen Essig hineinzutun – dann können Sie sie recht vorteilhaft verkaufen. Ich will sie Ihnen sogar selbst abnehmen, wenn Sie nicht zuviel verlangen.«
»Nein, nein! Ich verkaufe sie um nichts in der Welt!« schrie der Major Kowaljow verzweifelt: »Dann soll sie schon lieber zugrunde gehen!«
»Verzeihen Sie!« sagte der Arzt aufbrechend: »Ich wollte Ihnen nützlich sein … Was kann ich tun! Jedenfalls haben Sie meinen guten
Weitere Kostenlose Bücher