Pilot Pirx
ausreden, zu allem mußte er seinen Senf dazugeben. Bei den unpassendsten Gelegenheiten kicherte er dümmlich, und je mehr er jemanden damit in Rage brachte, desto lauter lachte er. Wenn er gerade mal keine Lust hatte, im Ziel zu landen, ging er einfach auf dem Rasen neben dem Landeplatz nieder und glühte ihn mitsamt Wurzelwerk und Erdreich auf Metertiefe aus. Wenn hingegen jemand nur ein Viertelmilliparksek in sein Revier eindrang, dann zögerte er nicht, umgehend davon Meldung zu erstatten, selbst wenn es sich um einen Kollegen von der Basis handelte. Außerdem gab es noch ein paar winzige Kleinigkeiten zu erwähnen, die fast peinlich waren: Er trocknete sich zum Beispiel an fremden Handtüchern ab, damit seines länger sauber blieb. Aber als er dann nicht vom Patrouillenflug zurückkehrte, entdeckten auf einmal alle, daß Wilmer schwer in Ordnung und ein Pfundskollege gewesen war. Und wieder rotierten die Radarschirme wie wild, die Piloten flogen pausenlos und außer der Reihe, die Männer vom Abhördienst gingen erst gar nicht nach Hause, sie schliefen abwechselnd auf einer Bank an der Wand, sogar das Mittagessen brachte man ihnen hinauf; der Chef, der schon in Urlaub war, kam mit einer Sondermaschine zurück, und die Piloten kämmten vier Tage lang den Sektor durch und waren so sauer, daß sie fähig gewesen wären, wegen eines nicht exakt umgebogenen Splints der harmlosesten Niete dem Monteur den Schädel einzuschlagen. Zwei Expertenkommissionen trafen ein, und die AMU 116, die Wilmers Projektil aufs Haar glich, wurde in ihre Bestandteile zerlegt wie das Werk einer Uhr – alles ohne das kleinste Ergebnis.
Zwar umfaßte der Sektor eine Million und tausendsechshundert Kubikkilometer, im übrigen aber gehörte er zu den ausgesprochen ruhigen, ohne Meteoritengefahr, ohne konstante Schwärme, und selbst die Bahnen irgendwelcher alter, jahrhundertelang nicht mehr gesichteter Kometen kreuzten ihn nicht – bekanntlich pflegt ja so ein Komet irgendwo in Jupiternähe, in dessen »Perturbationsmühle« mitunter in kleine Stückchen zu zerfallen und schickt dann in Abständen Bröckchen seines zerschmetterten Kopfes auf die alte Route. In diesem Sektor gab es nichts dergleichen – weder ein Satellit noch ein Planetoid berührte ihn, von einem Schweif ganz zu schweigen –, und eben deshalb, weil die Leere dort so »rein« war, ging in diesem Sektor niemand gern auf Patrouille.
Nichtsdestoweniger war Wilmer dort als zweiter verschollen, und sein Registrierband, das natürlich x-mal abgehört, fotografiert, vervielfältigt und ins Institut eingeschickt worden war, verriet genausoviel wie das Band von Thomas, nämlich nichts. Eine Zeitlang trafen noch Signale ein, aber dann brachen auch sie ab. Der automatische Sender strahlte ziemlich selten aus – einmal pro Stunde. Thomas hatte elf solcher Signale hinterlassen. Wilmer vierzehn. Das war alles.
Nach diesem Vorfall ergriff die Leitung sehr energische Maßnahmen. Zunächst wurden sämtliche Projektile überprüft – die Atomreaktoren, die Systeme, ja jedes einzelne Schräubchen. Ein Sprung im Glas konnte einen den Urlaub kosten.
Dann wurden bei allen Sendern die Uhrwerke ausgewechselt – als ob die was dafür konnten! Von nun an gab eine Rakete alle achtzehn Minuten Signale. Doch daran wäre noch nichts auszusetzen gewesen, ganz im Gegenteil. Viel schlimmer war, daß die beiden ältesten Offiziere an der Rampe standen und den Männern, ohne mit der Wimper zu zucken, alles abnahmen: pickende und tirilierende Vögel, kleine Schmetterlinge, Bienen, Geschicklichkeitsspiele. Alsbald türmte sich im Zimmer des Chefs ein Riesenberg an konfiszierter Konterbande. Böse Zungen behaupteten sogar, die Tür sei deshalb so oft abgeschlossen, weil der Chef mit dem Zeug spiele.
Erst im Lichte dieser Ereignisse ließ sich die Meisterschaft des Piloten Pirx gebührend würdigen, dem es trotz alledem gelungen war, das Haus mit den Ferkelchen an Bord seiner Rakete zu schmuggeln. Daß ihm das, von dem moralischen Triumph einmal abgesehen, gar nichts nutzte, stand auf einem anderen Blatt.
Der Patrouillenflug zog sich nun schon die neunte Stunde hin. Er zog sich hin, das ist sehr treffend gesagt. Pilot Pirx saß in seinem Sessel, von Gurten umwickelt und bandagiert wie eine Mumie, mit dem kleinen Unterschied, daß er wenigstens Hände und Füße frei hatte, und stierte apathisch auf die Bildschirme. Sechs Wochen lang waren sie in Zweiergruppen geflogen, in einem Abstand von dreihundert
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