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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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einem Sessel unter der Decke des Laborsaals geflogen waren, hätte niemand auch nur einen Pfifferling für die Existenz solcher Wesen gegeben. Vielleicht gab es Bewohner auf fernen Sternen, aber wenn, dann wirklich nur auf sehr fernen.
    Ein paar auf der Erde unbekannte, primitive Mollusken, ein paar Flechten, Bakterien und Infusorien, das war eigentlich die ganze Ausbeute langjähriger Expeditionen. Und übrigens, sollten jene Wesen – vorausgesetzt, sie existierten wirklich – tatsächlich nichts anderes zu tun haben, als in einem der gottverlassensten Winkel des Alls den winzigen Patrouillenraketen aufzulauern? Und wie konnten sie sich ihnen unbemerkt nähern?
    Solche Fragen, die das ganze hypothetische Gerede als einen Riesenhumbug entlarvten, gab es in Hülle und Fülle – es gab ihrer so viele, daß das Spielchen wahrhaftig jeden Sinn verlor. Pirx, in der neunten Flugstunde zu Gott weiß was für Denkkombinationen aufgelegt, mußte sich angesichts all dieser unumstrittenen nüchternen Tatsachen regelrecht Gewalt antun, um wenigstens für einen kurzen Augenblick dämonische Sternenwesen in seiner Phantasie unterzubringen.
    Von Zeit zu Zeit, wenn ihn trotz der fehlenden Schwerkraft die ständig gleiche Körperhaltung zu ermüden begann, veränderte er die Neigung des Sessels, an den er gefesselt war, sah mal nach rechts, mal nach links, wobei er, was vielleicht sonderbar erscheinen mag, die dreihundertelf Zeiger, Kontrollämpchen, pulsierenden Scheiben und Uhren gar nicht bemerkte, denn sie waren für ihn das, was für einen normalen Sterblichen die Züge eines vertrauten Gesichts sind – man kennt es so gut und so lange, daß man nicht erst zu beobachten braucht, wie sich darin der Mund verzieht oder die Lider öffnen, und man muß nicht erst auf der Stirn nach Falten suchen, um zu wissen, was es ausdrückt. Genauso verschmolzen also die Uhren und Kontrollämpchen vor Pirxens Augen zu einem Ganzen, das ihm sagte, daß alles in Ordnung sei. Als er dann den Kopf wieder nach vorn wandte, erblickte er die beiden vorderen Sternenbildschirme und dazwischen sein eigenes Gesicht, das von dem bauchigen, teilweise Stirn und Kinn bedeckenden gelben Helm eingerahmt war.
    Zwischen den beiden Bildschirmen befand sich ein Spiegel, nicht allzu groß, aber so angebracht, daß der Pilot darin nur sich selbst sah, sonst nichts. Man wußte nicht recht, wozu dieses Ding eigentlich da war. Das heißt, man wußte es schon, aber die klugen Argumente, die für das Vorhandensein besagten Spiegels sprachen, überzeugten kaum jemanden. Er war eine Erfindung der Psychologen. Der Mensch, so behaupteten sie, obgleich das ziemlich merkwürdig klingt, hört manchmal auf, seine geistige und seelische Verfassung zu überwachen, vor allem wenn er längere Zeit in der Einsamkeit zubringt. In solchen Situationen kann es mir nichts, dir nichts passieren, daß er in eine gewisse hypnotische Starre gerät oder offenen Auges in einen traumlosen Schlaf versinkt, aus dem er nicht immer rechtzeitig erwacht. Andere wieder um fallen mitunter Gott weiß woher kommenden Sinnestäuschungen oder Angstzuständen zum Opfer oder geraten in einen heftigen Erregungszustand – und ein probates Mittel gegen all diese Anwandlungen bestehe in der Kontrolle der eigenen Physiognomie. Daß es nicht gerade angenehm war, sein eigenes Gesicht viele Stunden lang wie eingemauert vor sich zu haben und notgedrungen jeden Ausdruck darin verfolgen zu müssen, stand auf einem anderen Blatt. Aber davon wußte kaum jemand, außer den Piloten der Patrouillenraketen. Meistens fing so etwas ganz harmlos an: Man verzog leicht das Gesicht, lächelte seinem eigenen Spiegelbild zu, schnitt eine Fratze, und dann folgten Schlag auf Schlag immer scheußlichere Grimassen. So geht es einem, wenn sich eine derart widernatürliche Situation über Gebühr in die Länge zieht.
    Pirx machte sich zum Glück herzlich wenig aus seinem Äußeren, im Gegensatz zu anderen. Zwar hatte es niemand nachgeprüft – dies war einfach nicht möglich –, aber man erzählte sich, daß manche in einem Anfall von Stumpfsinn und Verblödung, die jedes schickliche Maß überstieg, schwer wiederzugebende Sachen anstellten – sie spuckten zum Beispiel ihr Spiegelbild an, und wenn die Scham sie packte, mußten sie natürlich etwas tun, was strengstens untersagt war, nämlich die Gurte abschnallen, aufstehen und in der Schwerelosigkeit zum Spiegel laufen oder vielmehr schwimmen, um ihn vor der Landung noch

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