PR 2627 – Der verzweifelte Widerstand
RADONJU verlassen musste.
Nur ... wieso?
Ebendiese Frage steigerte seine Verzweiflung hin zu schierer Panik. Hatte man sein Geheimnis entdeckt? Ihn enttarnt?
In der typisch o-beinigen Gangart seines Volkes ging er in dem engen Passagierraum mit gesenktem Kopf auf und ab.
»Setz dich!«, rief irgendjemand; Tion Yulder beachtete die Aufforderung nicht, obwohl er wahrscheinlich von einem Xylthen gegeben worden war. Aber es war kein echter Befehl. Keiner, der genug Angst machte.
Tion wusste nur eines: Außer ihm reisten keine Dosanthi in dem Beiboot.
Er war allein.
Unbeirrt setzte er seine nervöse Wanderung fort. Als er zum nächsten Mal aus dem Sichtfenster starrte, durchquerte das Beibootshuttle gerade den Energievorhang, verließ die RADONJU und jagte auf die OMAJOR zu.
Sechseckige Kuhlen übersäten die rötlich braune Hülle des Waffenboots, in dem er die nächsten Stunden oder womöglich Tage und Wochen verbringen würde. Die Farbe des Metalls blieb unverändert. Tion entging jedoch nicht, dass seine eigenen Flecken, die normalerweise eine ähnliche Färbung in seiner runzligen grauen Lamellenhaut aufwiesen, merklich blasser als sonst zu sein schienen.
Ein Zeichen von noch mehr Angst, dachte er. Wo soll das hinführen?
Aber so waren die Dosanthi eben: Furcht bestimmte ihr Dasein. Dagegen konnte auch er sich nicht wehren, obwohl er es stets aufs Neue versuchte und sich bereits mehr als einmal erfolgreich aufgebäumt hatte.
Wie sehr sehnte er sich nach seiner Wohnhöhle in der RADONJU, dem Flaggschiff von Protektor Kaowen, in dem er seinen äußerst wichtigen Dienst versah. Oder eben versehen hatte ... Damit schien es nun vorbei zu sein. Was auch bedeutete, dass er seinen Geheimauftrag nicht mehr würde erfüllen können, und das so kurz vor dem Ziel.
Oder doch?
Ihm musste nur die Rückkehr gelingen.
Die Rückkehr von ... was immer ihm bevorstand.
Seine Zukunft war ungewiss. Er sank auf dem Boden zusammen.
Was bin ich nur für ein Held, dachte er und wollte sterben.
*
Ein wenig Trost fand Tion Yulder kurz nach dem Einschleusen in die OMAJOR, denn dort warteten andere Angehörige seines Volkes – dreizehn, um genau zu sein. Eine intakte Siebenergruppe und sechs weitere, deren Gruppe er vervollständigte.
So war er wenigstens nicht mehr völlig allein und seine Versetzung ergab einen gewissen Sinn. Sie standen in einer großen Halle, so weitläufig, als wäre sie dazu gedacht, die Dosanthi zu quälen, die sich nur in engen Wohnhöhlen wohlfühlten.
»Einer fehlte uns«, teilte ihm ein Angehöriger seiner neuen Gruppe mit, ohne eine Erklärung abzuliefern, wieso es dazu gekommen war. »Wir haben deshalb darum gebeten, dass uns jemand von der RADONJU geschickt wird. Das warst du.«
Tion wollte eine Nachfrage stellen, als sich ein Xylthe vor die Dosanthi stellte. Seine muskulöse Gestalt überragte sie fast um das Doppelte. Das glänzende Weiß der xylthischen Haut leuchtete unter dem strahlenden Deckenlicht.
Tion kam sich noch kleiner vor als vorher. Hätte er sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet, wäre er dem Xylthen fast ebenbürtig gewesen, doch das würde nicht geschehen, solange es keinen Gegner gab, den die Dosanthi einschüchtern und in Panik versetzen mussten. Erst dann würden Tion Yulder und die anderen ihre Furcht in Aggression wandeln und ihre spezielle Paraenergie verströmen.
Bis dahin blieb die Angst. Die Unsicherheit. Ihm fiel das Atmen schwer.
»Ein wichtiger Auftrag liegt vor uns!«, donnerte die Stimme des Xylthen. Er sprach in abfälliger Tonlage, die seine Verachtung deutlich spiegelte. Offenbar sah er die Dosanthi als notwendiges Übel an, als eine Art lästiger, aber auch nützlicher Kinder. Tion erlebte dieses Verhalten nicht zum ersten Mal.
»Mein Name ist Roanit. Ich bin der Anführer dieser Mission. Vielleicht habt ihr von den Gerüchten gehört, dass Protektor Kaowen bereits seit Tagen verschwunden ist. Eine Nachricht von ihm ist längst überfällig. An seinem letzten bekannten Aufenthaltsort wurde er nicht gefunden. Stattdessen weist seine Spur zu einem namenlosen Giftgasplaneten. Wir werden dort landen. Ihr bleibt im Hintergrund, falls wir auf Feinde treffen.«
Roanit wandte sich ab. Mehr würde er ihnen augenscheinlich nicht verraten. Sie waren ja auch nur Dosanthi, denen man nicht mehr berichten musste als unbedingt nötig. Sie hatten zu funktionieren, nicht mehr. Eigenständig zu denken trauten ihnen die Xylthen offenbar nicht zu.
Alle anderen
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