Puck
Vergnügen vom Hunde-Standpunkt aus sehr bescheiden, denn dieses >Kümmern< bestand darin, daß er René zu seinem täglichen Nachmittagskaffee begleiten mußte. Es ging vier Straßenecken weit. Dort war das Café Lüddecke, und Herrchen hatte, gleich wenn man hereinkam, rechts am fünften Tisch seinen Stammplatz. Hier saß René mit dem Rücken gegen eine Wandnische — es war ihm unangenehm, die Blicke der Menschen im Rücken zu fühlen, und las Zeitungen.
Puck saß neben ihm, die dicken Pfoten weit von sich gestreckt. Ab und zu reichte ihm Herrchen ein Stückchen Kuchen. Wenn er aber den Kopf auf Herrchens Schenkel legte und ihn auf diese Weise zu einem kleinen Spiel anzuregen versuchte, gab es eine ernste Ermahnung: »Laß das, sei nicht so albern.«
Dann gab er es auf, kringelte sich zusammen und wurde schnell in die Gefilde des Halbtraumes entrückt, der nur unterbrochen wurde, wenn in der Nähe ein anderer Hund auftauchte, den man beschnuppern oder durch den Wald der Stuhlbeine anfletschen konnte. Das Abenteuer endete, wenn Herrchen die letzte Zeitung gelesen hatte, und dann ging es wieder die vier Straßenecken zurück, hinein in den Fahrstuhl. Manchmal aber ließ ihn Herrchen auch für einen Augenblick los, und dann raste er wie ein Wahnsinniger die Straße auf und ab. Ach, welche Wonne, sich bewegen zu können und die Glieder im fliegenden Lauf auszustrecken! Mitunter, wenn niemand sonst auf der Straße war, hielt Herrchen den Spazierstock hin und sagte »Hopp!« Dann schnellte der weiße, schlanke Hundeleib wie ein Pfeil darüber hinweg. So hätte es weitergehen sollen, in unendliche Felder voll unaussprechlicher Gerüche, durch peitschende Gräser fegend, bis das Tier mit den großen Ohren aufsprang und das ganze Sein zusammenschoß in dem einen Sinn und Zweck: Verfolgung. So aber endete der Traum schon an der nächsten Laterne, wo ihn Herrchens Pfiff aus allen Ekstasen riß.
Einmal, bei einer solchen seligen Raserei, geriet Puck auf den Fahrdamm. Alles ging so blitzschnell. Über ihm war plötzlich etwas Riesiges, Fauchendes, Surrendes, Geruch nach Gummi, ein ungeheurer Schlag. Ei fühlte sich durch die Luft geschleudert und krachte auf das Pflaster. Fürchterlicher Schmerz kreiste in seinen Gliedern, besonders im rechten Vorderbein. Er wollte sich erheben und zu Herrchen laufen, der wie versteinert dastand. Aber es gelang ihm nicht. Dann kniete sein Herrchen neben ihm auf dem Pflaster und schrie etwas mit lauter Stimme zu dem Zweibein, das auf dem Lastauto thronte, und viele andere Zweibeiner standen um ihn herum, und alle stießen Laute aus. Herrchen hob ihn vorsichtig hoch, aber es tat doch schrecklich weh, und Puck stieß ein jämmerliches Geheul aus. Dann trug ihn Herrchen in ein Auto. Er wurde ein paar Treppen hinaufgebracht und auf einen Tisch gelegt, der nach Blech und der Qual vieler anderer Hunde roch. Ein Zweibein in einem weißen Kittel beugte sich über ihn, fühlte ihn ab und tat ihm weh. Etwas Scharfes bohrte sich in ihn ein. Es entstand eine große rote Kugel vor seinen Augen, begann zu kreisen, immer rasender sich zu drehen, wurde größer, kam immer näher, zersprang plötzlich mit einem schrillen Knall, und dann war nichts mehr, bis er in seinem Körbchen erwachte. Etwas Dickes war um seinen Brustkorb und sein rechtes Vorderbein gewickelt, das abscheulich roch. Die Schmerzen aber waren geringer, und am zweiten Tag waren sie noch weniger, und der Mann im weißen Kittel, der jeden Tag zu ihm kam, stieß einen grunzenden Laut der Zufriedenheit aus. Nach einer Woche nahm er Puck den Verband ab, und weil er nun, aller Fesseln frei, einen fürchterlichen Hunger hatte, schenkte ihm Herrchen eine ganze Leberwurst!
Herrchen nahm ihn an diesem Tag auch mit zur Hundespielwiese. Dort wurde er losgehakt und konnte zwischen vielen anderen Kameraden aller Größen herumhumpeln. Er suchte sich eine riesige schwarze Dogge zum Beißen aus, aber als er nach ihr schnappte, stieß sie ihn mit der Schnauze an, und er fiel auf die Seite. Gleich war Herrchen da und trug ihn fort.
Bald jedoch ließ Herrchens Zuneigung erneut nach, und Puck war wieder viel allein. Doch die Erinnerungen an diese schönen Tage blieben, und deshalb hatte er gar nichts für diesen Kerl übrig, den Bruder Luises, der sich wieder mit ihm anzufreunden versuchte.
Als nun gar eines Morgens dieser Mann vor dem Fleischerladen erschien, vor dem Puck angebunden war, seine Leine losmachte und ihn mit sich fortzog, widerstrebte er mit
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